12.02.2016

Die Freiheit, ja oder nein zu sagen!

Macht und Herrlichkeit sind echte Versuchungen. Foto: kallejipp / photocase

Die Gebote Gottes laden zu einer Freiheit in Verantwortung ein.

„Aber bei Oma und Opa dürfen wir das.“ Enkelkinder sind oft begeistert, wenn sie ein paar Tage bei ihren Großeltern bleiben dürfen. Sie genießen da Freiheiten, die sie zu Hause nicht haben. Viele Großeltern sagen: „Erziehen sollen die Eltern, wir dürfen verwöhnen.“ Manche sagen auch: „In unserer Kindheit ging es streng zu. Es gab so viele Verbote. Und wenn wir nicht parierten, wurde gestraft. Außerdem war das auch noch alles Sünde, die wir beichten mussten. Nein, unseren Enkelkindern soll es da besser gehen.“

Ob es der jungen Generation wirklich besser geht? Viele Regeln von früher gelten nicht mehr. Freiheit ist das Motto. Freiheit und Selbstbestimmung. Jeder will sein individuelles Leben so gestalten, wie es seinen Vorstellungen entspricht. Und wehe dem, der diesen Freiheitsraum einschränken will!

Hat Religion in diesem Lebensstil einen Platz? Viele sagen: Nein. Religion behindert die Freiheit. Da gibt es Gebote, da gibt es Vorschriften. Und da gibt es einen Gott, der Kon-
trolle ausübt. Wenn wir wirklich frei sein wollen, müssen wir diesen Gott ignorieren oder besser noch: abschaffen. Der Mensch soll das Sagen haben und nur der Mensch. Diese Forderung ist uralt. Schon im Paradies hat die Schlange gesagt: „Lasst euch nicht in eurer Freiheit beschränken. Esst doch einfach die verbotene Frucht, dann seid ihr selber wie Gott.“ Und was kann man sich Besseres wünschen als göttliche Allmacht und göttliche Freiheit! Adam und Eva haben die Gelegenheit genutzt und zur Versuchung ja gesagt. Die Folgen sind bekannt.

Mit einer ähnlichen Taktik geht der Versucher im Gespräch mit Jesus vor: „Schau doch, welche großartigen Möglichkeiten du hast! Das ganze Land liegt vor dir, und du kannst es beherrschen. Du kannst den Menschen Brot geben und alles, was sie brauchen. Sie werden dich lieben. Du kannst sogar in die Naturgesetze eingreifen. Probiere es aus, und der Weg zu einem Paradies auf Erden ist nicht mehr weit. Die Bedingung: Schaff deinen Gott ab und bete mich an, mich: das Geld, die Macht, die grenzenlose Freiheit.“ Jesus sagt Nein.

Der Versucher jedoch gibt sich nicht geschlagen. Er flüstert weiter in den Köpfen der Menschen, in den Köpfen der Politiker, der Wissenschaftler, der Manager, der Meinungsmacher. Selbst die Kirchenführer verschont er nicht. Auch wir werden oft genug seine Stimme hören: „Du bist ein freier Mensch und kannst selbst bestimmen, wie du leben willst. Wenn es also für dich gut ist, mach es doch, auch wenn es anderen schadet. Du musst nicht ehrlich sein; andere sind es ja auch nicht. Je mehr du besitzt und vorzeigen kannst, umso angesehener und beliebter bist du. An Gott brauchst du nur zu denken, wenn du in die Kirche gehst. Im Alltag haben andere das Sagen.“

In solchen Versuchungen ein entschiedenes Nein zu sagen, kostet Kraft und Mut. Aber es gibt auch gute Argumente: Klar, wir sind freie und mündige Menschen; Freiheit und Selbstbestimmung sind die wertvollsten Gottesgeschenke. Aber zu dieser Freiheit gehört auch die Einsicht, dass es Grenzen geben muss. Jedes Gemeinwesen, jedes Zusammenleben kann nur innerhalb von Grenzen funktionieren. Und da können Gottes Gebote eine Hilfe sein. Sie sind keine Gängelei, sondern Grenzmarkierungen, die unsere Freiheit erst ermöglichen.

Das alles klingt vernünftig. Aber Vorsicht! Der Versucher ist raffiniert. Er weiß, dass wir uns nicht nur von der Vernunft leiten lassen. Es gibt ja noch die oft so unvernünftigen Gefühle, die Begehrlichkeiten, die unkontrollierten Wünsche und unsere Fähigkeit, uns selbst zu belügen. Da findet der Versucher Verbündete, und da hat er oft Erfolg.

Damit er keinen Erfolg hat, könnten wir zum Beispiel in dieser Zeit vor Ostern wieder einmal gründlicher als sonst unsere Grenzen ausloten. Zugleich könnten wir mit einem kritischen Blick auf all die verlockenden und attraktiven Versuchungen schauen, die in unseren Köpfen herumgeistern. Vielleicht gelingt uns dann auch so ein klares Nein, wie Jesus es gesagt hat, ein Nein, das ihn auf den Weg zum Kreuz und dann zum Triumpf der Auferstehung geführt hat. Könnte das nicht auch unser Weg sein?

Wolfgang DembsiDer Autor war Pfarrer in Dortmund-Brünninghausen.

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