03.11.2017

Die Gebliebene

Figur der Christine von Stommeln an der Nordfassade des Kölner Domes. Foto: KNA

von Claudia Auffenberg

Am 6. November taucht im Namenstagskalender der Kirche eine Christine auf. Das ist ein durchaus vertrauter Name, denkt man, und stolpert in eine rätselhafte Lebensgeschichte hinein. Das Leben der Christine von Stommeln ist einigermaßen gut dokumentiert, das macht sie für die Wissenschaft heute interessant, aber das genau ist das Problem. Als vor ein paar Jahren in Jülich eine Ausstellung über sie gezeigt wurde, sagte der Bürgermeister zur Eröffnung: „Sie war keine einfache Persönlichkeit“, was sehr freundlich formuliert ist. Manche ihrer Zeitgenossen hätten es wohl so formuliert: Sie ist unerträglich!

Fangen wir vorn an: Geboren wird sie 1242 in Stommeln, einem kleinen Ort, der heute zu Pulheim gehört, also in der Nähe von Köln. Sie ist die Tochter wohlhabender Bauern. Schon im Alter von zehn Jahren erlebt sie Visionen, sie verlobt sich mit Christus und geht 1255 zu den Beginen. 1258 empfängt sie die Wundmale Christi, sie ist damit eine der ersten Frauen, von der das berichtet wird. Immer wieder hat sie Visionen, darunter häufig auch dämonische, weswegen die Beginen sie bald wegschicken. Sie kehrt zurück zu ihren Eltern, die sie aber auch nicht mehr aufnehmen wollen. Der Pfarrer kümmert sich um sie, später lebt sie in einer kleinen Klause in der Nähe des Dorfes und verdient ihren Lebensunterhalt mit Näharbeiten. 1312 stirbt sie im Alter von 70 Jahren.

Dokumentiert ist ihr Leben dank des Dominikaners Petrus von Dacien, dem sie 1267 erstmals begegnet. Die beiden schreiben sich eine Reihe von Briefen, in denen sie sich ihrer gegenseitigen Zuneigung vergewissern, sie schildert ihm zudem ausführlich ihre nächtlichen und wahrhaft schauerlichen Teufelsvisionen. Er ist dennoch oder gerade deswegen fasziniert von ihr, denn er glaubt in ihr zu erkennen, wie Gott sich Mystikerinnen offenbart und deutet ihre Visionen theologisch. Schon damals, als man noch mehr Verständnis für Visionen hatte als heutzutage, heißt es über Christine, sie sei krank oder auch eine Hochstaplerin. Zur Verehrung kommt es nach ihrem Tod durch eine Wunderheilung des Grafen Diet­rich IX., der nach einer Wallfahrt zu ihrem Grab von der Gicht befreit gewesen sein soll. 1586 kamen ihre Gebeine nach Jülich, wo sie heute noch ruhen. 1908 erst wurde sie seliggesprochen.

Was macht man nun heute mit einer solchen Frau? Visionen von Kröten im Essen oder in den Körper gebohrte Eisenstangen wird wohl niemand mehr als Sprache Gottes deuten. So bleibt vielleicht, was vor ein paar Jahren der Kölner Weihbischof Manfred Melzer den Christen von Stommeln sagte: „Sie ist immer eine von Ihnen geblieben.“ Denn in der Gottesnähe ihrer Visionen sei sie den Menschen ihres Geburts- und späteren Sterbeortes nahe geblieben.

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