29.04.2016

Die Herausforderungen des Lebens

Wenn die Liebe die Krise kriegt, können die Beraterinnen und Berater der katholischen Ehe-, Familien- und Lebensberatung Menschen zur Seite stehen. Foto: Andreas Wiedenhaus

Soest. Enttäuschung, Sprachlosigkeit, unterschiedliche Vorstellungen vom Zusammenleben: Die Gründe können vielfältig sein, wenn eine Paarbeziehung in eine Krise gerät. Längst nicht alle finden den Ausweg daraus allein. Unterstützung bietet zum Beispiel die Katholische Ehe-, Familien- und Lebensberatung. 22 Beratungsstellen gibt es im Erzbistum. Paul Piepenbreier leitet die Soester Einrichtung.

Manchmal ist es wie bei einer Schallplatte, die immer an derselben Stelle „hängt“: Ein völlig unbedeutender und banaler Anlass bewirkt einen „Riesenkrach“. Alles kommt auf den Tisch, jeder präsentiert dem anderen die ganz persönliche „Abrechnung“. Am Ende ist vielleicht der Streit fürs Erste beigelegt, doch eine Lösung ist nicht in Sicht. Etwas, das Paul Piepenbreier in Beratungsgesprächen immer wieder erlebt: „Es gibt einen Konflikt und keinen Weg zueinander.“

Der 61-jährige Theologe, der seit rund 30 Jahren in der Paar-­Beratung arbeitet, charakterisiert seine Aufgabe in diesem Zusammenhang so: „Die Leute wissen die Antworten selbst, wir helfen ihnen dabei, sie zu finden.“ Voraussetzung sei allerdings, dass die Paare freiwillig kämen: „Beide müssen dazu bereit sein, denn eine Lösung kann es nur gemeinsam geben.“ Dabei ist die viel beschriebene nicht zugeschraubte Zahnpastatube meistens nur der Anlass, hinter dem eine viel umfangreichere Problematik liege. Das im Gespräch mit einem Paar zu klären und dann konkrete Impulse zur Veränderung zu geben, ist eine der Aufgaben der Beratungsstellen.

Denn eines, so Piepenbreier, sei eine Tatsache: „Im Beziehungsalltag kommen Probleme an ähnlichen Punkten immer wieder vor.“ Dazu die Erfahrung, die jedes Paar machen müsse: „Die Verliebtheit, die man zu Beginn einer Beziehung verspürt, diese ekstatische Anfangserfahrung, trägt keine Beziehung auf Dauer, und sie ist auch nicht konservierbar.“

Auch der Druck von außen wächst. Dazu heißt es im Jahresbericht 2015 der Beratungsstelle in Soest: „Die sich beschleunigenden Umbrüche der gesellschaftlichen Situation wie die zunehmende gesellschaftliche Orientierung an wirtschaftlichem Nutzen, zugleich immense wirtschaftliche Unsicherheiten, bringen zusätzliche Verunsicherung in die individuellen Lebensentwürfe vieler Menschen. Diese Prozesse überfordern oftmals Einzelne, Paare und Familien.“ Paul Piepenbreier: „Deshalb funktionieren Lösungen von früher heute nicht mehr.“ Der Wegfall von gesellschaftlichen und familiären Strukturen bringe größere individuelle Freiheit, sei aber gleichzeitig auch eine echte Herausforderung: „Diese Strukturen haben die Menschen einerseits eingeengt, andererseits aber auch gestützt.“ Angesichts dieses Wandels sei es für Paare heute umso wichtiger, die Spielregeln von Leben und Kommunikation zu lernen.

Dabei Hilfe anzunehmen, sei selbstverständlicher geworden, sagt Paul Piepenbreier: „Das wird nicht mehr als Eingeständnis von Versagen wahrgenommen.“ Entsprechend kommen Paare aus allen Schichten und Altersgruppen in die Beratungsstelle an der Soester Osthofenstraße. Dass die Kirche gerade in diesem Bereich ein so umfangreiches Angebot mache, hält der Soester Theologe und Berater für eminent wichtig: „Menschen bei der Bewältigung ihrer Lebensaufgaben zu unterstützen, ist in meinen Augen gelebtes Evangelium.“

Und wenn nichts „hilft“, wenn die Beziehung auseinandergeht? „Das Angebot zu helfen, bleibt natürlich bestehen“, sagt Piepenbreier, „gerade wenn Kinder da sind und ein Paar als Eltern weiter in Kontakt bleibt.“

Dann könne die Beratungsstelle dazu beitragen, Regeln für den Umgang zu finden und den Prozess moderierend zu begleiten. Scheitern müsse man akzeptieren, sagt der 61-Jährige und setzt hinzu: „Als Kirche dürfen wir uns in diesem Moment nicht vom Acker machen!“

Andreas Wiedenhaus

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