22.04.2016

Die Unerschrockene

Katharina trinkt das Blut Christi – für heutige Menschen eine irritiernde Sicht, ein Bild des italienischen Malers Santi di Tito (1536-1603).

Das Wort Patronin ist im gewissen Sinne eine Unmöglichkeit der deutschen Sprache. Das mittelhochdeutsche „Pa­tron“ ist ein männliches Wort, weil es eine Funktion beschreibt, von der irgendwer das Gerücht in die Welt gesetzt hat, sie sei für Männer: Schutzherr, rechtlicher Vertreter.

Es leitet sich vom lateinischen „Vater = pater“ ab. Da es aber in der Geschichte auch Frauen gibt, die diese Funktion herausragend ausfüllen – von einer ist in wenigen Zeilen die Rede –, hat man das Wort weiblich variiert: Patronin. Warum es analog dazu das Wort „Matron“ nicht gibt, kann und soll an dieser Stelle nicht thematisiert werden. Das französische Wort „pa­tron“ bedeutet übrigens auch Schutzform, Schutzhülle – und daraus hat sich nun ein weibliches Wort entwickelt, das auch irgendwie zu Katharina von Siena passt: die Pa­trone.

Sie war eine körperlich kleine Italienerin, die schon mit 33 (!) Jahren gestorben ist und doch mit einer solchen Wucht in die Geschichte einschlug, dass bis heute die Kirche an ihr nicht vorbeikommt. Papst Johannes Paul II. hat sie 1999 zusammen mit Birgitta von Schweden und Theresia vom Kreuz (Edith Stein) zur Patronin Europas erhoben.

Katharina lebte im 14. Jahrhundert: Bürgerkriege, Unterdrückung des Volkes prägten das Leben der Menschen, die Kirche hatte sich in Machtkämpfen verheddert, der Papst residierte in Avignon. Geboren 1347, seit 1363 Mitglied im Dominikanerorden, mischte sie sich laut und mit deutlichen Worten ein: „Was Christus am Kreuz erwarb, wird mit Huren vergeudet.“ Und über die Kirche sagte sie einmal: „Im Garten der Kirche müssten die faulenden Pflanzen ausgerissen und durch frische, duftende neue Pflanzen ersetzt werden.“ Man ahnt, was passieren würde, wenn sich heute jemand das trauen würde und es ist auch damals passiert. Katharina wurde vor das Generalkapitel ihres Ordens zitiert. Die Akten sind verloren, genau weiß man nicht, worum es ging. Aber die Vermutung, dass es um den Vorwurf Ketzerei gegangen sein könnte, liegt nahe. Was es auch gewesen ist: Sie wurde freigesprochen und sogar beauftragt. Von nun an reiste und predigte sie ganz offiziell im Namen der Kirche. Brav machte sie das nicht. Sie holte sogar den Papst zurück nach Rom.

Ihr Anliegen war zugleich ihre Antriebskraft: die Liebe zu Christus bzw. seine Liebe zu ihr. In vielen Visionen hat sie diese Verbindung zu ihm geschaut, sah sich als Braut Christi – einmal sah sie, wie sie mit ihm die Herzen tauschte. Was für ein starkes Bild: Sein Herz schlägt in ihr, ihr Herz in ihm.

Die Art, wie Katharina ihre Beziehung zu Christus, ihren Glauben lebte, ist einem heute sehr fremd und man hat etwas Mühe, sie sich als erlösten Menschen vorzustellen. Da ist viel von Buße und Askese zu lesen.

Warum wird so jemand Pa­tronin Europas? Katharina war eine mutige und selbstlose Zeugin Christi. Solche Menschen brauche Europa, befand Johannes Paul II., die Sicht auf sie möge die Hoffnung auf das vollkommene Heil verkünden.

Claudia Auffenberg

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