21.11.2018

Drei katholische Bewerber

Annegret Kramp-Karrenbauer zu Besuch bei Papst Franziskus – keine „katholische Merkel“.Foto: KNA

Berlin. Für den Einserabiturienten und früheren Messdiener Jens Spahn war nach Einschätzung der Mitschüler das Karriereziel schon früh klar: „Bundeskanzler, was sonst?“ So schrieben sie es in der Abizeitung. Und so steht es in der jüngst erschienenen Biografie (Herder) zu lesen.

Beim Parteitag in Hamburg vom 6. bis 8. Dezember geht es für den 38-jährigen Spahn aber zunächst um die Nachfolge von Angela Merkel im Vorsitz der CDU. Um den Spitzenposten konkurriert er mit Generalsekretärin Annegret Kramp-­Karrenbauer (56) und dem ehemaligen CDU-Granden Friedrich Merz (62). Für alle drei spielt die katholische Sozialisation nach eigenem Bekunden eine wesentliche Rolle. Wie beeinflusst aber ihre Kirchenzugehörigkeit ihr politisches Handeln? Wird das „C“ wieder an Bedeutung gewinnen?

Das neue CDU-Grundsatzprogramm soll jedenfalls nach den Worten von Generalsekretärin AKK, wie sie mit Abkürzung genannt wird, einer Selbstvergewisserung der konservativen, liberalen und christsozialen Wurzeln dienen. Dabei berief sie sich in ihrer Vorstellungsrede zur Wahl mit geradezu religiöser Emphase auf das christliche Menschenbild als „Grundlage unseres Handelns“: „Daraus leiten wir unsere Werte ab; das war so, das ist so, und das darf sich nie, nie, niemals ändern.“

Die Merkel-Vertraute dürfte mit ihrem unauffälligen Auftreten und ihrer Sachorientierung am ehesten für Kontinuität stehen. Doch gibt die gesellschaftspolitisch Konservative und wirtschaftspolitisch Christsoziale nicht einfach die katholische Merkel ab – wie ihr Kritiker unterstellen. Mit dem Widerspruch zur doppelten Staatsbürgerschaft setzte sie sich bereits von Merkel ab. Ihr Einspruch gegen die „Ehe für alle“ oder gegen die Entfernung der Kreuze aus dem Saarbrücker Landgericht sorgte für Schlagzeilen. Sie ist Mitglied im Zentralkomitee der Katholiken und will zwischen den Flügeln vermitteln. Eine modernisierte Volkspartei der Mitte mit humanitärer Gesinnung etwa in der Flüchtlingsfrage muss für sie nicht im Widerspruch zu „Identität, Heimat und Verwurzelung“ stehen – wie AKK im „Bonifatiusboten“ schrieb.

Spahn steht als Merkel-­Kritiker eher für Polarisierung und eine Stärkung des rechten Flügels. Er will wieder den „Kern“ der Union verdeutlichen und versprach in einem Gastbeitrag für die Frankfurter Allgemeine Zeitung einen „echten Neustart für die CDU und Deutschland“. Vor allem aber setzte er sich von Merkels Flüchtlingspolitik ab – nicht zuletzt mit dem Begriff des „Kontrollverlustes“. Immer wieder eckte Spahn an: Die Rentenerhöhung von 2008 wertete er als „Wahlgeschenk“. Im März erklärte er, dass auch ohne „Tafeln“ niemand in Deutschland verhungern müsse.  

Der mit Daniel Funke verheiratete Spahn sieht in seiner Lebensgestaltung keinen Widerspruch zur Kirchenzugehörigkeit. In seiner Wohnung hängt ein lilafarbenes Neonkreuz. Von den Kirchen forderte er, sich auf „ihre Kern­themen“ Seelsorge, Glaubensvermittlung und das Karitative zu konzentrieren. In ethischen Fragen steht er seiner Kirche bei der Sterbehilfe wie beim Werbeverbot für Abtreibung nahe. Bei der „Homo-Ehe“ oder der von ihm geforderten Widerspruchslösung bei der Organspende nimmt er konträre Positionen ein. „Bekannt bin ich jetzt, beliebt muss ich noch werden“, zitiert sein Biograf den Machtpragmatiker.  

Der Sauerländer Friedrich Merz dürfte für Spahn der größere Konkurrent im Rennen um den CDU-Vorsitz sein. Beide umwerben dieselbe Klientel. Konservativ, islamkritisch und eher wirtschaftsliberal wie Spahn, gilt Merz als gut vernetzter Hoffnungsträger aller, die in der Ära Merkel ein Verhängnis für die Partei sehen. Seine ehemaligen Weggefährten im „Andenpakt“ sollen ihn laut „Spiegel“ bei einem Treffen am Rande der Exequien für Kardinal Karl Lehmann zur Kandidatur gedrängt haben.  

Aus konservativ-katholischem Elternhaus, heimatverbunden, Mitglied in katholischen Vereinen wie der Kolpingsfamilie sieht Merz in der Kirche vor allem einen Ort existenzieller Orientierung und der „Anwaltschaft für den Menschen“. Allerdings könne die Politik ihren Ansprüchen nicht immer folgen. Einen Namen machte er sich seinerzeit mit dem Eintreten für konservative Familienwerte, wettbewerbsorientierte Bildungspolitik und eine liberale Wirtschaftspolitik. Legendär ist seine „Steuererklärung auf dem Bierdeckel“. Seine Tätigkeit in Aufsichtsräten und beim Vermögensverwalter Black Rock bieten Angriffsflächen. Seine politische Tätigkeit liegt lange zurück. Deshalb dürften die Regionalkonferenzen nähere Auskunft über seine derzeitige politische Verortung geben.

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