28.07.2017

Gottsuche als Schatzsuche

Die moderne Variante der Schatzsuche heißt Geocaching. Dabei wird der Schatz nicht gehoben, sondern bereichert.

Die menschliche Sehnsucht ist die Suche nach Gott als der grenzenlosen Liebe.

von Carola Thomann

Jeder Mensch trägt in seinem Herzen das Licht eines Wunsches, das ihn lebendig hält. Ob er sich dessen bewusst ist oder nicht, er ist auf der Suche nach dem verborgenen Schatz, von dem er immer geträumt hat, von der Perle, die er sich immer gewünscht hat. Wer früher oder später den Schatz oder die kostbare Perle findet, zu dem sagt der Herr: „Hier bin ich.“ Er lässt sich also finden von dem, der ihn sucht; er lässt sich aber auch finden, von dem, der ihn nicht sucht, wie es bei Jesaja 65,1 heißt: „Ich wurde gesucht von denen, die nicht forschten, ich wurde gefunden von denen, die mich nicht suchten. Ich sagte zu einer Nation, die mich nicht anrief: Hier bin ich!“

Es ist aber nicht genug, zu suchen und zu finden: Es ist notwendig, sich zu entscheiden, den gefundenen Schatz nicht ungebraucht zu lassen. Das Motiv für die Entscheidung ist die Freude, eine große Leidenschaft für den Schatz, die gleichgültig macht gegenüber allem anderen, die frei macht für das wahre Glück. Es ist nichts zu „verlieren“, sondern alles zu „gewinnen“. Wer Gottes fähig ist, kann nicht von etwas erfüllt sein, das weniger ist als Gott selbst. Der Mensch ist angelegt auf das scheinbar Unmögliche, auf das Grenzenlose, auf das Einzige, was ihn erfüllen kann, auf Gott, der die Liebe ist. Wo dem Menschen die Liebe begegnet, da fällt die große Entscheidung; darum gehört die Freude dem, der seinen Schatz gefunden hat; das heißt, die Freude gehört dem, der liebt und die Erfahrung mit anderen teilt.

Diese Erfahrung ist vielfach schon im Alten Testament zu finden. Als zum Beispiel für die Heimkehrer aus dem babylonischen Exil alles verloren schien, fanden sie in Jerusalem ihre Identität wieder, sie fanden den Schatz ihres Lebens, indem sie ganz neu auf das Wort Gottes hörten; und die Einladung „… seid nicht traurig, denn die Freude am Herrn ist eure Stärke“ ermutigte sie, das Leben neu in den Blick zu nehmen und mit anderen zu teilen (vgl. Neh 8,​1–10).

Im Evangelium begegnen wir Frauen – z. B. der Frau am Jakobsbrunnen – und Männern, die gesucht und Antwort gefunden haben; so sagt Philippus zu Nathanael: „Wir haben den gefunden, über den Mose im Gesetz und auch die Propheten geschrieben haben: Jesus aus Nazaret, den Sohn Josefs“ (Joh 1,45); und Jesus berief die jungen Männer, um bei ihm zu sein und sie dann zu senden (Mk 3,14). Diese ersten Jünger haben sich gefreut, sich entschieden, sie haben alles aufgegeben, sich auf den Weg gemacht, ohne zu wissen, wohin dieser Weg führt. Indem sie gingen, wurden sie verwandelt. Sie haben den Schatz mit anderen geteilt und ihn mutig in die damalige Welt hinausgetragen. Dieser Schatz hat auch uns erreicht, der aber immer neu gesucht und gefunden werden will, um ihn im Heute zu verstehen und zu interpretieren.

Doch der Rahmen, der über viele Jahrhunderte unsere Kultur und Gesellschaft christlich geprägt hat, scheint nicht mehr ohne Weiteres stimmig zu sein. Der Schatz will wieder entdeckt und gehoben werden, um sich in Freude ganz neu für den Herrn und sein Wort entscheiden zu können. Vielleicht möchte der Herr abgestandene christliche Formen durch die Macht seines Wortes unterwandern und etwas Neues schaffen, wie es bereits bei Jesaja 43,19a heißt: „Siehe, nun mache ich etwas Neues. Schon sprießt es, merkt ihr es nicht?“

So geht der Herr unserer Suche nach dem Schatz und der Perle voraus!

Sr. M. Carola Thomann fcjm ­gehört zur Kongregation der Franziskanerinnen Salzkotten.

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