14.02.2019

Gute oder schlechte Nachricht?

Die neue Rangordnung könnte „Nebeneinander“ lauten, wie hier in Rom. Der Verband christlicher internationaler Freiwilligendienste FOCSIV organisierte im Oktober vergangenen Jahres die römische Tafel ohne Mauern, die „Tavolata romana senza Muri“. 650 Menschen, darunter Flüchtlinge und andere Bedürftige, speisten mitei­nander auf der Straße zwischen Engelsburg und Petersplatz. Foto: KNA

Wer wie Jesus ein Herz für die Armen hat, wird vor Gott in Ansehen stehen.

von Monika Krieg

Diese Frage kam mir beim Lesen des heutigen Sonntags­evangeliums, dem Beginn der sogenannten Feldrede Jesu. In ihr, wie im gesamten Lukas­evangelium, kommt die besondere Zuneigung Jesu zu den Armen zum Ausdruck. Vermutlich liegt das daran, dass der Verfasser zu einer Zeit und in einer Umgebung schrieb, in der zunehmend auch Wohlhabende und Besitzende zur Gemeinde gehörten. Ob sich daraus soziale Spannungen ergeben haben? Es ist jedenfalls auffällig, wie deutlich Lukas die Armen und Zukurzgekommenen immer wieder in den Mittelpunkt des Wirkens Jesu stellt.

So auch in den drei Seligpreisungen, von denen wir im heutigen Evangelium hören und die, auch im Vergleich zu den Seligpreisungen der Bergpredigt des Matthäus, als die ursprünglichsten gelten:

„Selig, ihr Armen, denn euch gehört das Reich Gottes.

Selig, die ihr jetzt hungert, denn ihr werdet gesättigt werden.

Selig, die ihr jetzt weint, denn ihr werdet lachen.“

Jesus spricht hier die Armen, Hungernden und Weinenden unmittelbar an. Er weiß: Ihre Lebensumstände sind existenziell und von den Betroffenen nicht einfach zu verändern. Häufig genug leben sie ein Leben am Rand der Gesellschaft, haben weder ihr Auskommen noch genießen sie öffentliches Ansehen. Er weiß auch, dass diesen Menschen in Gottes Augen ein besonderer Wert zukommt, dass Gott sie mit Fürsorge begleitet und ihnen ausgleichende Gerechtigkeit zukommen lassen will.

Das ist die gute, die tröstliche Nachricht in unserem Sonntagsevangelium. Sie gilt auch heute noch allen, für die der Monat länger dauert als die Grundsicherung reicht; für die, die in der Fußgängerzone betteln; für die, die im Alltag nichts zu lachen haben. Und wenn mich selbst solche Situationen treffen, kann auch ich mich von diesen Seligpreisungen trösten und von Gottes Aufmerksamkeit tragen lassen!

Was aber ist mit den Reichen, den Satten und denjenigen, die heute schon lachen und ihren Spaß haben? Da heißt es bei Lukas:

„Doch weh euch, ihr Reichen; denn ihr habt euren Trost schon empfangen.

Weh euch, die ihr jetzt satt seid; denn ihr werdet hungern.

Weh, die ihr jetzt lacht; denn ihr werdet klagen und weinen.“

Offenbar haben die Menschen auf der Sonnenseite des Lebens zukünftig nicht mehr viel zu erwarten. Das ist ernüchternd – insbesondere in unserer bundesdeutschen Kirche, in der viele Mitglieder in gesicherten Verhältnissen leben, ihr gutes Auskommen haben und sich materiell viel leisten können. Sind sie, sind wir, bei Gott damit „abgeschrieben“ und vom Reich Gottes ausgeschlossen? Und wird hier aus der Frohbotschaft eine Drohbotschaft?

Tatsächlich könnte man zu diesem Schluss gelangen. Vermutlich würde er jedoch der Absicht der Jesusworte nicht gerecht. Denn nicht die Ablehnung des materiellen Reichtums oder eines Lebens im Wohlstand steht im Vordergrund, sondern die Verkündigung einer neuen Hausordnung. In ihr gelten neue Maßstäbe, kommen die bisher „Deplatzierten und Deklassierten“ (Franz Kamphaus) groß heraus – ohne dass sie irgendetwas dazu beigetragen haben; einfach nur, weil Gott sie für wertvoll hält.

Nirgendwo steht geschrieben, dass Wohlhabende keine Hausbewohner Gottes sein können. Sie müssen sich nur an die neue Rangordnung gewöhnen und können sich nicht auf eine herausgehobene Stellung freuen. Dies bedeutet eine Umorientierung im Kopf – einen Perspektivenwechsel, der vielleicht nicht ganz leicht fällt. Aber muss das denn ein Verlust sein?

Zur Autorin: Diplom-Theologin Monika Krieg ist Leiterin der Telefonseelsorge Paderborn.

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