22.07.2016

Hinter der Tür

Wenn man in den Tagen nach dem Brexit – also vor Nizza und Ankara – ins Internet ging, sprangen einem auf allen Seiten zwei kurze Videofilme entgegen, die auch schon mehrfach im Fernsehen zu sehen waren.

von Claudia Auffenberg

Auf dem einen geht David Cameraon ins Haus, nachdem er soeben verkündet hat, dass er am nächsten Tag nicht mehr Premierminister sein wird. Weil gerade noch das Mikrofon an ist, hört man, wie er ein bisschen singt oder eher vor sich hintutet und dann drinnen noch „Right“ sagt, was in diesem Fall wohl so was wie „Geschafft“ oder „Das war’s dann“ heißen kann. Das andere Video zeigt einen erwachsenen, bitterlich weinenden, französischen Fußballfan, der von einem kleinen portugiesischen Jungen getröstet wird. Der Mann ist gerührt und nimmt den Jungen dankbar in den Arm. Während dieses Video mit entzückten Kommentaren versehen weitergereicht wird, muss Cameron sich Hohn und Spott gefallen lassen und allerei Veralberungen ertragen.

Beide Videos zeigen Männer, die verloren haben. Der eine – David Cameron – tatsächlich, und das Ausmaß der Niederlage ist wahrscheinlich noch gar nicht erreicht, der andere eher im übertragenen Sinne. Die Sympathien der Öffentlichkeit sind klar verteilt. Cameron hat sich verzockt, also bitte, kein unnötiges Mitleid. Und dann singt er auch noch … Aber dieser portugiesische Junge, ach wie vorbildlich!!!

Vielleicht darf man sich – gerade in Tagen wie diesen – daran erinnern, dass demokratisch gesinnte Politiker Menschen sind, die sich eine enorme Verantwortung aufgeladen haben und die einen hohen persönlichen Preis zahlen. Es ist ganz sicher nicht immer schön, Bundeskanzlerin oder US-Präsident zu sein. Wie ging es David Cameron eigentlich, als die Tür zu war? Ob ihm da oder irgendwann rund um den Rücktritt auch zum Heulen zumute war?

Jesus preist die Trauernden selig. Er begründet es nicht, aber es hat ja womöglich damit zu tun, dass ein trauernder Mensch besonders hilflos ist und das Reich Gottes gerade nicht der Ort der strahlenden Macher und der taffen Alleskönner, sondern Heimat der Hilflosen, der Wehrlosen, der Gefallenen.

Wer weiß, vielleicht war hinter der Tür von 10 Downing Street jemand, der ihn in den Arm genommen hat. Zu wünschen wäre es ihm und allen anderen, die draußen immer Stärke zeigen müssen. Trotz allem!

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