22.04.2016

Hinter’m Horizont

Die Sachsenklinik ist ein tolles Krankenhaus: keine Wartezeiten, Ärzte mit umfassender Kompetenz, durchweg freundliches Pflegepersonal und vor allem: Gestorben wird hier so gut wie nie.

Nun, auch der unkundige Leser ahnt an dieser Stelle: Die Sachsenklinik ist Fernsehen, mit der Wirklichkeit hat es nichts zu tun. „In aller Freundschaft“ heißt die Serie, die seit gefühlten hundert Jahren läuft. Nun aber ist die Realität dort eingebrochen. Eine der Hauptdarstellerinnen, Hen­drikje Fitz, in der Serie die Frau des ärztlichen Direktors, ist an Krebs gestorben. Die Nation wusste um ihre Situation. Noch im Januar hatte sie erklärt, seit ihr die Ärzte die Angst vor einem qualvollen Tod genommen hätten, könne sie ihre Situation nicht nur annehmen, „sondern ich erlebe sie vielmehr als eine der intensivsten überhaupt in meinem Leben“.

Man möchte sich mit Schaudern abwenden. Was sie und andere in ihrer Situation erlebt haben, ist doch – aus halbwegs gesunder Perspektive betrachtet – der absolute Alptraum. Man geht zum Arzt, vielleicht aus Routine oder wegen scheinbar belangloser Beschwerden und kommt als Sterbenskranker wieder heraus. Wohl jeder hat schon mal im Wartezimmer gesessen und die Frage: „Was wäre, wenn …?“ schön wieder beiseite geschoben und sich lieber den bunten Blättchen mit den angefangenen Kreuzworträtseln gewidmet.

Was aber, wenn es kein Ausweichen mehr gibt? Wenn das Leben einen zwingt, alles infrage zu stellen? Wirklich alles. Auch Gott! Oder sollte man sagen: Wenn einem das Leben genau das ermöglicht: alles einmal infrage zu stellen? Keinen Halt mehr zu haben, könnte auch heißen, viel Bisheriges als eben nicht tragfähig, als hilflose Hilfskonstruktion entlarvt zu haben. Und es könnte heißen, dass man der Wahrheit des Lebens, die womöglich – aber ganz anders als gedacht – „Gott“ ist, näher kommt. Schauspielkollegin Andrea Kathrin Loewig, in der Serie Chefärztin Dr. Globisch, hat die letzten Monate mit der Kollegin so zusammengefasst: „Was man in sich fühlt, das muss man bis zum Ende tragen und leben.“

Claudia Auffenberg

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