04.08.2017

Jüdisch, atheistisch, heilig

Dr. Edith Stein, ein undatiertes Foto. Foto: dpa

Die Heiligsprechung soll in der Regel einen Menschen zum Vorbild machen. Vielleicht aber darf man sie auch einmal als Mahnung an die Welt deuten; als Mahnung im Sinne von: „Ein solches Leben dürft ihr nicht zulassen! Es darf nicht sein, dass ein kluger, hochbegabter Mensch aufgrund seines Geschlechtes und seiner Religion nicht zum Zuge kommen, ja, nicht einmal leben darf.“

von Claudia Auffenberg

Edith Stein ist ein Mensch, dem genau dieses passiert ist – eine Frau, deren Leben einen irgendwie traurig macht. Geboren wurde sie 1891 in Breslau, als elftes Kind eines jüdischen Holzhändlers und seiner Frau. Als sie zwei Jahre alt ist, stirbt der Vater, die Mutter übernimmt das Geschäft und führt es zu neuer Blüte. Die kleine Edith ist aufmüpfig und alles andere als fromm. Nach dem Abitur studiert sie Psychologie, Philosophie, Germanistik und Geschichte. Ihren jüdischen Glauben hat sie beiseite gelegt, sie bezeichnet sich als Atheistin und kämpft für die Rechte der Frau. Beim damals berühmten Philosophieprofessor Edmund Husserl promoviert sie mit summa cum laude und will sich habilitieren. Aber als Frau ist sie – nach damaliger Meinung – dafür nicht geeignet. Husserl nimmt sie aber gern als schlecht bezahlte persönliche Assistentin. Diese Erfahrungen und zwei unglückliche Liebschaften stürzen Edith Stein in eine tiefe Krise. Sie wünscht sich den Tod, hofft, in Breslau von einem Auto überfahren zu werden und erschrickt zugleich über diese Sehnsucht. Sie liest sich durch philosophische Literatur auf der Suche nach dem, was ihren Hunger stillen könnte. Dies findet sie in der Autobiografie der heiligen Theresia von Ávila – und wird katholisch. Am liebsten würde sie sofort in den Karmel eintreten, doch ihr geistlicher Begleiter, der Erzabt des Klosters Beuron, hält sie davon ab. Sie solle, so rät er, weiter „in der Welt wirken“. Dies tut sie zum einen als Lehrerin bei den Dominikanerinnen in Speyer, zum anderen in Reden und Schriften, in denen sie sich für die Emanzipation der Frau einsetzt. 1932 wechselt sie zum katholischen In­stitut für wissenschaftliche Pädagogik in Münster. In Deutschland ziehen düstere Wolken auf, wenige Monate nach der sogenannten Machtergreifung schreibt sie einen Brandbrief an Papst Pius XI.: „Wir alle, die treue Kinder der Kirche sind und die Verhältnisse in Deutschland mit offenen Augen betrachten, fürchten das Schlimmste für das Ansehen der Kirche, wenn das Schweigen noch länger anhält.“ Eine richtige Antwort erhält sie nicht. Bald darauf verlässt sie das Institut und tritt im Oktober 1933 nun endlich in den Karmel in Köln ein. Sie nimmt den Namen Sr. Teresia Benedicta a Cruce an. Innerlich wird sie nun frei, äußerlich nimmt die Tragödie ihren Lauf. Weil ihre Oberin im entscheidenden Moment nicht raffiniert oder mutig genug zu einer kleinen Notlüge ist, wird ihre Herkunft als Nichtarierin bekannt. Sie kann nach Holland ausweichen, doch am 2. August 1942 wird sie mit ihrer Schwester Rosa und vielen anderen nach Ausch­witz deportiert, wo sie am 9. August ermordet wird.

Reliquien von ihr gibt es nicht, aber mancherorts, wo ihrer gedacht wird, steht ein Gefäß mit Erde aus Auschwitz und menschlicher Asche darin.

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