27.09.2018

„Mutig Reformen einfordern“

Ansgar Kaufmann und Annika Manegold

Erzbistum. An diesem Wochenende konstituiert sich das neu zusammengesetzte Diözesan-Komitee im Erzbistum. Annika Manegold und Ansgar Kaufmann scheiden aus und blicken im Gespräch mit dem DOM auf ihre Mitarbeit im Vorstand des Gremiums.

von Andreas Wiedenhaus

Eine Bilanz Ihrer Vorstandsarbeit, wie sieht sie aus?

Annika Manegold: Wir ziehen ein positives Fazit aus den letzten vier Jahren und der Vorstandsarbeit. Gemeinsam mit Michael Hullermann, Nadine Mersch, Jürgen Fenneker und Prälat Thomas Dornseifer konnten wir viel bewegen. Nicht zuletzt auch durch die Unterstützung seitens unserer Geschäftsführung. Nach personellen Wechseln haben wir mit Dagmar Hanses nun seit gut einem Jahr ein neues Teammitglied gewonnen, das unsere Arbeit ebenfalls unterstützt und bereichert.

Ansgar Kaufmann: Als Vorstandsteam haben wir gut harmoniert. Wir haben unterschiedliche Sichtweisen, aus den Jugend- und Erwachsenenverbänden, aus der Sicht der Pfarrgemeinderäte, aus Stadt und Land einbringen können. Mir als Südsauerländer kam die Rolle zu, auf die Situation der kleineren Gemeinden hinzuweisen und deutlich zu machen, dass das Erzbistum nicht nur Paderborn ist. Es ist uns auch gelungen, den Stellenumfang der Geschäftsführung und des Sekretariates zu erhöhen. Das ist für uns als ehrenamtlicher Vorstand wichtig und erweitert unsere Möglichkeiten.

Was steht auf der Haben-­Seite ganz oben, welche Themen hatten Priorität? Gab es Bereiche, wo es „gehakt“ hat?

Ansgar Kaufmann: Von den Zahlen her sind dies zwölf Vollversammlungen. Bei vier Pfingstempfängen sind wir mit inspirierenden Referenten und Gästen aus Gesellschaft und Kirche zu aktuellen kirchen- und allgemeinpolitischen Themen ins Gespräch gekommen. Hinzu kommen viele Veranstaltungen wie zum Thema Flucht oder gerade vor Kurzem noch zu den Gründen von Kirchenaustritten. Wir haben mit einer großen Delegation am Diözesanen Forum in Unna teilgenommen und arbeiteten an verschiedenen Projekten des Zukunftsbildes mit. Anlässlich des Reformationsjubiläums haben wir das Thema Ökumene als einen Schwerpunkt bearbeitet. Dazu haben wir wichtige Forderungen formuliert. Wir rufen auch heute schon dazu auf, den Evangelischen Kirchentag in Dortmund 2019 und den Ökumenischen Kirchentag in Frankfurt 2021 zu besuchen. Ökumene muss im doppelten Sinne des Wortes weitergehen.

Annika Manegold: Neben diesen gelungenen Aktivitäten hätte ich mir bei der Liberalisierung des kirchlichen Arbeitsrechtes weitergehende Änderungen gewünscht. Weiterhin wäre eine ernsthaftere Auseinandersetzung mit den vielen guten Hinweisen, die Ehrenamtliche der Deutschen Bischofskonferenz im Gesprächsprozess mitgegeben haben, gut gewesen. So werden viele der beteiligten Ehrenamtlichen das Gefühl haben, dass 2019, bei der Fortführung des Prozesses von 2015, wieder von vorne angefangen wird.

Was lag Ihnen persönlich besonders am Herzen?

Ansgar Kaufmann: Ich nehme immer wieder eine Skepsis gegenüber den gewählten Gremien in der Kirche wahr. Die ist zum Teil durch Erfahrungen begründet, häufig kommt sie aber auch aus der mangelnden Bereitschaft mancher Priester und Hauptberuflicher, sich auf demokratische Entscheidungsprozesse einzulassen. Ich habe mich immer dafür eingesetzt, Laien möglichst viel Verantwortung zu übertragen und ich kenne eine ganze Reihe Gemeinden, in denen dies zu einer lebendigen und fortschrittlichen Kirche beiträgt.

Annika Manegold: Die Mitarbeit am Zukunftsbild und in den Teilprojekten, die Stärkung von Frauen, Ehrenamt und Laienapostolat in unserer Kirche, aber auch gesellschaftliche Themen wie das TTIP-­Abkommen, der Umgang mit Geflüchteten und der Themenbereich Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung waren meine persönlichen Anliegen dieser Amtszeit. Insbesondere freue ich mich, dass es ab 2019 eine Schöpfungskommission im Erzbistum geben wird, in die auch die vielen guten Erfahrungen aus dem Projekt „Faire Gemeinde“ einfließen.

Der Wandel in Kirche und Gesellschaft vollzieht sich sehr dynamisch. Welche Auswirkungen hatte das auf die Arbeit? Kann ein solches Gremium da immer „mithalten“?

Annika Manegold: Rahmenbedingungen und auch die Bereitschaft zu langjähriger ehrenamtlicher Tätigkeit verändern sich. Das Diözesankomitee setzt sich überwiegend aus Ehrenamtlichen zusammen und auch wir müssen uns selbst hinterfragen, weiterentwickeln und schauen, dass wir dieser Veränderung gerecht werden. Doch der Wandel von Kirche in der Gesellschaft ist für uns eine besondere He­rausforderung. Die Menschen werden – und das zu Recht – kritischer gegenüber der Kirche. Fragen nach der Gleichberechtigung von Frauen, Veränderungen beim Zölibat, der Umgang mit sexueller Vielfalt sowie die Aufarbeitung sexuellen Missbrauchs durch Geistliche beschäftigen die Menschen und es werden Konsequenzen und Veränderungen gefordert. Die gerade bekannt gewordenen Zahlen der MHG-­Studie werden diese Diskussion noch einmal deutlich verschärfen. Ich hoffe, dass die Kirche hier zu weitreichenden Konsequenzen und Reformen bereit ist. In keinem Fall darf im Bereich der Prävention gespart werden. Diese vielfältigen Fragen beschäftigen auch die Laien in der Kirche und hier müssen wir feststellen, dass wir nicht „mithalten“ können. Diese Fragen gehen oft über das Erzbistum Paderborn und Deutschland hi­naus, und scheinen nur in Rom lösbar zu sein. Ich würde mir eine aufrichtige Auseinandersetzung seitens der Deutschen Bischofskonferenz wünschen, da wir auf die Fragen und Themen der Gläubigen reagieren müssen! Ich wünsche mir, dass das Erzbistum dort mutig vorangeht und sich für eine Auseinandersetzung starkmacht.

Ansgar Kaufmann: Ich denke schon, dass wir als Diözesankomitee mithalten. Unsere 52 Mitglieder kommen aus den unterschiedlichsten beruflichen Zusammenhängen. Wir müssen als ehrenamtliches Gremium aber auswählen und Schwerpunkte setzen.

Sorgen bereitet mir, dass der Prozess des Zukunftsbildes nicht schnell genug und nicht weit genug geht. Wenn ich mir zum Beispiel die dramatisch sinkenden Priesterzahlen ansehe, dann benötigen wir dringend mehr haupt- und ehrenamtliche Laien in verantwortlichen Positionen, um in zehn Jahren noch in der Fläche präsent zu sein. Als Diö­zesankomitee fordern wir schon lange, dass auch Modelle von Gemeindeleitung durch Laien eingeführt werden. Dies geschieht mittlerweile in einem Modellprojekt, aber nur sehr zögerlich.

Wie sieht eine persönliche Bilanz aus – mit Blick auf die Mitstreiterinnen und Mitstreiter, auf die Bistumsleitung als Dialogpartner?

Ansgar Kaufmann: Ich blicke auf 13 Jahre Diözesankomitee und 9 Jahre Vorsitz zurück. Mit welcher tiefen inneren Überzeugung und mit welchem großen Engagement die Menschen in der Paderborner Kirche ihren Glauben leben, wie sie um den richtigen Weg der Kirche in die Zukunft ringen und wie sie manchmal auch ihre Ratlosigkeit und ihre Zweifel formulieren – das sind Erfahrungen, die mir sehr wertvoll sind. Ich glaube auch, dass es uns gelungen ist, das Diözesankomitee als kritischen, aber auch verlässlichen Akteur innerhalb des Erzbistums zu etablieren. Sicherlich hätte ich mir manches schneller und mutiger gewünscht, aber im Rückblick auf 13 Jahre hat sich in unserem Erzbistum auch schon viel getan.

Annika Manegold: Meine Zeit als Vorsitzende endet nun nach einer Legislatur, und ich blicke auf eine Zeit zurück, die ich als durchwachsen bezeichnen würde. Das Erzbistum Paderborn geht an vielen Stellen andere, neue Wege und ist im deutschlandweiten Vergleich für viele andere Diözesen ein gutes Beispiel, wie Kirche sich verändern kann. Mit vielen Vertreterinnen konnten wir auf kurzen Wegen unsere Anliegen benennen und bei gemeinsamen Themen kooperieren. Hier ist mir besonders die Flaggenaktion für Fremdenfreundlichkeit und Vielfalt positiv im Gedächtnis geblieben! Doch gleichzeitig schlägt in mir auch mein jugendverbandliches Herz als DPSGlerin und BDKJ-Diözesanvorsitzende. Einige der jugendverbandlichen Prinzipien wie Ehrenamt, Selbstorganisation, Demokratie, Freiwilligkeit oder Lebensweltbezug vermisse ich sehr in unserer Kirche. Priesterzentriertheit statt Ehrenamt und Beratungsgremien statt Entscheidungsgremien mit Laien habe ich in meiner Legislatur leider viel zu oft erlebt. Besonders frustrierend war für mich die (anscheinend) ausgebliebene Wirksamkeit der ehrenamtlichen Beteiligten im Gesprächsprozess der Bischofskonferenz durch fehlende Möglichkeiten der echten Entscheidung und Mitbestimmung sowie der transparenten Weiterarbeit mit den Ergebnissen.

Was möchten Sie Ihren Nachfolgern mit auf den Weg geben?

Annika Manegold: Ich ermutige meine Nachfolgerinnen, die vielen Engagierten und auch die Kritiker von Kirche sowie Skeptiker vom Laien­apostolat: Bleiben wir im Dialog! Stehen wir für die Themen ein, die uns bewegen; lasst uns um Lösungen und Veränderungen ringen und lasst uns dann weniger zögern und einfach mal zutrauen und machen!

Ansgar Kaufmann: Ich wünsche dem neuen Diözesankomitee und dem neuen Vorstand, dass sie auch in Zukunft zur Weiterentwicklung der Kirche beitragen, indem sie aus ihrer unabhängigen Rolle heraus konsequent und mutig Reformen einfordern. Und ich wünsche Ihnen den Segen Gottes.

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