14.08.2019

Zwischenruf!

Der Obelisk in Rom. Foto: Luise Pfefferkorn / pixelio

Wer zu den Menschen gehört, die beneidenswerterweise in Rom, sagen wir, in der Glaubenskongregation links neben dem Petersplatz, ihr Büro haben oder hatten, der kommt oder kam ja regelmäßig an dem Obelisken vorbei, der dort seit dem 10. September 1568 steht. Zu seinem Aufstellen wird folgendes erzählt:

Weil es damals noch keine motorbetriebenen Maschinen gab, musste es mit menschlicher Kraft gelingen. 900 Männer waren nötig, dazu Pferde, Flaschenzüge, Winden. Das Ganze war, wie man sich vorstellen kann, ein Riesenspektakel, das viele sehen wollten. Es bahnte sich also eine lärmige Atmosphäre an, in der ein koordiniertes Handeln unmöglich war. Deswegen ordnete Papst Sixtus V. absolutes Stillschweigen an und drohte bei Verstoß mit der Todesstrafe. So saß nun die Menge da und schaute stumm zu, wie die Arbeiter mit Seilen den mehr als 300 Tonnen schweren Obelisken aufzurichten versuchten. Das Unterfangen wäre beinahe gescheitert, wenn nicht einer aus dem Publikum die Gefahr erkannt und gehandelt hätte: „Wasser auf die Seile!“, rief ein Mann. Sofort wurden die Seile gewässert und vor dem Zerreißen bewahrt. Der Mann wurde nicht hingerichtet, sondern vom Papst geehrt. Bis heute, so heißt es, darf seine Familie zu Palmsonntag den Vatikan mit Palmzweigen versorgen.

An diese Szene konnte man sich am Libori-Montag im Hohen Dom zu Paderborn erinnern. Es war die Betstunde der Frauen, was nun nach einer ziemlich frommen Veranstaltung klingt und auch war. Fromm heißt aber nicht duckmäuserisch. Vorgetragen wurde eine ältere und derzeit wieder oft zitierte Meditation des Ordensbruders Andreas Knapp: „Frauenfragen“. Darin heißt es etwa: „Wenn eine Frau den Leib Christi salben konnte, warum sollten Frauen dann nicht zum Salbungsdienst befähigt sein?“ Am Ende des Textes herrschte Stille im Dom. Dann kam aus den hinteren Reihen ein Ruf: „Genauso!“, darauf lang anhaltender Applaus.

Warum hat der Mann auf dem Petersplatz gerufen? Was hat ihn dazu getrieben, sein Leben zu riskieren und sich einer Anweisung des Papstes zu widersetzen? Weil er etwas zerstören, etwas spalten wollte oder gierte er bloß nach Macht? Und warum rufen die Frauen in diesen Tagen, warum wollen sie nicht mehr schweigen? Wer in Rom seinen Schreibtisch oder seine Wohnung hat und regelmäßig am Obelisken vorbeikommt, könnte es zumindest ahnen.

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