Das katholische Hilfswerk Adveniat zieht Bilanz für das Geschäftsjahr 2023.
31 Millionen Euro für 1.200 Projekte in Lateinamerika und der Karibik. Adveniat, das Lateinamerika-Hilfswerk der katholischen Kirche in Deutschland, hat am Mittwoch, 22. Mai 2024 für das zurückliegende Geschäftsjahr vom 1. Oktober 2022 bis zum 30. September 2023 Bilanz gezogen. „Adveniat lebt seinen Auftrag, Brücke zwischen den Generationen, zwischen den Kontinenten und zwischen den Menschen zu sein. Dabei steht in diesem Jahr die Option für die Jugend an erster Stelle“, sagte Adveniat-Bischof Franz-Josef Overbeck und kündigte damit bereits das Thema der kommenden bundesweiten Adveniat-Weihnachtsaktion 2024 an. Lateinamerika sei im Vergleich zu Europa ein junger Kontinent. Das habe er zuletzt auf seiner Reise Anfang April nach Brasilien wieder erlebt. „Es macht Mut, dass wir immer wieder vor Ort Jugendliche erleben, die sich nicht passiv ergeben und von der Aussichtslosigkeit, Gewalt und Armut mitreißen lassen, sondern sich aktiv für eine gerechte Welt einsetzen.“
Menschen im Süden leiden besonders unter dem Klimawandel
Sichtlich betroffen zeigte sich Bischof Overbeck von den dramatischen Bildern und Meldungen über die verheerenden Überschwemmungen im Süden Brasiliens: „Es sind ganz besonders die Länder und Menschen des Globalen Südens, die unter den Folgen des vor allem in den reichen Industrieländern verursachten Klimawandels leiden.“ Auf die aktuelle Not habe Adveniat bereits reagiert und die Betroffenen mit einer Soforthilfe in Höhe von 70.000 Euro unterstützt. Weitere Hilfe werde unbürokratisch in den nächsten Wochen bereitgestellt. „Die dauerhaften Veränderungen verlangen aber eine kontinuierliche und nachhaltige Hilfe, für die Adveniat seit mehr als sechs Jahrzehnten steht“, erklärte Overbeck. Und diese treffe in Lateinamerika auf fruchtbaren Boden, so der Adveniat-Bischof. Auf seiner Brasilienreise habe er zum wiederholten Male den Subkontinent als ein Laboratorium des Wandels erlebt: „Lateinamerika stellt sich den Herausforderungen und den Zeichen unserer Zeit.“ Das gelte für die ökologische Frage ebenso wie für die kirchliche. Die lateinamerikanische Kirche habe es bereits mit einer kirchlichen Versammlung vorgemacht, dass die wesentlichen Zukunftsfragen von allen Teilen der Kirche zu beraten und zu entscheiden sind – und nicht mehr nur von den Bischöfen. „Von daher sind wir in Deutschland mit dem Synodalen Weg Teil eines gemeinsamen weltkirchlichen Aufbruchs, in dessen Mittelpunkt gerade auch die kommenden Generationen stehen müssen. Denn es geht dabei um die Grundfrage: Welchen Planeten und welche Kirche hinterlassen wir den nachfolgenden Generationen?“, betonte Adveniat-Bischof Overbeck.
Samenkörner der Hoffnung
„Wir säen in unseren Projekten Samenkörner in der Hoffnung darauf, dass trotz allem Veränderungen zum Besseren hin möglich sind“, sagte Pater Martin Maier. Als Hauptgeschäftsführer des Lateinamerika-Hilfswerks Adveniat und im Auftrag der Deutschen Bischofskonferenz biete er deshalb auch Unterstützung beim Friedensprozess zwischen Regierung und der ELN, der zweitgrößten Guerilla-Gruppe in Kolumbien an. Auf Einladung des Erzbischofs von Bogotá, Kardinal Luis José Rueda, habe er kürzlich als Beobachter an Friedensgesprächen teilgenommen. „Auch das Auswärtige Amt in Berlin und die deutsche Botschaft in Bogotá schätzen die Rolle der Kirche in den komplizierten Verhandlungsprozessen hoch ein und sind an einem kontinuierlichen Austausch sehr interessiert“ betonte Pater Maier. „Mehr als 60 Jahre Gewalt und Krieg, Millionen von Vertriebenen und weit über 200.000 Tote sind zu viel! Das derzeitige Fenster der Gelegenheit für Frieden und Versöhnung in Kolumbien muss genutzt werden.“
Adveniat unterstütze dank der Solidarität der Spenderinnen und Spender in Deutschland die Kirche in Lateinamerika in ihrer ganzheitlichen Pastoral und der Sorge für das gemeinsame Haus. „Menschen sozial und politisch befähigen, das Schicksal ihrer Gemeinschaft, ihrer Region, ihres Landes selbst in die Hand zu nehmen. Menschen mit Bildungsprojekten Chancen für eine selbstbestimmte Zukunft ermöglichen. Menschen mit Lebensmitteln und Medikamenten vor Hunger, Armut und Krankheit bewahren. So versteht Adveniat seinen Auftrag, als pastorales Hilfswerk in der Kirche und in der Welt Lateinamerikas und der Karibik zu wirken“, erklärte Hauptgeschäftsführer Pater Maier.
Als konkretes Beispiel nannte Adveniat-Geschäftsführerin Tanja Himer Haiti. 4,9 Millionen Menschen und damit fast die Hälfte der Bevölkerung hungern in dem karibischen Land, das zu den ärmsten weltweit gehört. „Kriminelle bewaffnete Banden haben längst die Macht in den Straßen übernommen. Die Leidtragenden sind die Menschen, die als Unbeteiligte in Schießereien geraten oder Opfer von Massakern werden“, berichtet Tanja Himer. In dieser brandgefährlichen Situation hätten viele Hilfsorganisationen das Land inzwischen verlassen. „Als Lateinamerika-Hilfswerk Adveniat nutzen wir die kirchlichen Strukturen vor Ort, um einerseits direkt die Menschen mit Nahrungsmitteln und Medikamenten zu versorgen, und andererseits Bischöfe und Priester zu unterstützen, die nach wie vor zum politischen Dialog aufrufen und auf friedliche Lösungen drängen“, so Himer. Adveniat sichere so das Überleben der Menschen, biete ihnen aber auch die Möglichkeit, sich in ihrem Dorf, in ihrer Region weiterzuentwickeln.
Spendeneinnahmen sind stabil geblieben
„Die Spendeneinnahmen sind mit 34,9 Millionen Euro im Vergleich zu den 35,1 Millionen Euro im Vergleichszeitraum des Vorjahres nahezu stabil geblieben. Sie haben sich jedoch deutlich verschoben“, erläuterte die Adveniat-Geschäftsführerin. Dem deutlichen Plus in Höhe von 2,7 Millionen Euro bei der Weihnachtskollekte in den Gottesdiensten am 24. und 25. Dezember 2022 stehe ein Rückgang bei den direkten Einzelspenden an Adveniat von 3,5 Millionen Euro gegenüber. Da bei den Erbschaften ein Plus von einer knappen Million Euro verbucht wurde, blieben die Einnahmen stabil. Dass die Gesamterträge von über 45 auf 43 Millionen gesunken sind und sich damit wieder auf dem Niveau des Geschäftsjahres 2021 befänden, erklärte Tanja Himer mit zwei Sondereffekten aus dem vergangenen Geschäftsjahr: „Damals war die Summe von Mitteln, die unsere Projektpartner aufgrund der Corona-Situation nicht verausgaben konnten höher.“ Zudem seien 2022 insgesamt 3,6 Millionen Euro in die Bilanz eingeflossen, die aus thematischen Sonderposten der Vorjahre stammten. Es sei entschieden worden, diese Sonderposten nach und nach aufzulösen. So wurden im vergangenen Geschäftsjahr nur noch 1,4 Millionen Euro aus diesen Sonderfonds bezahlt. „Dass Adveniat im vergangenen Geschäftsjahr den Menschen in Lateinamerika und der Karibik in 1.200 Projekten mit insgesamt 31 Millionen Euro beistehen konnte, ist den Spenderinnen und Spendern zu verdanken“, fasste Adveniat-Geschäftsführerin Tanja Himer zusammen.
Hintergrund
Adveniat, das Lateinamerika-Hilfswerk der katholischen Kirche in Deutschland, steht für kirchliches Engagement an den Rändern der Gesellschaft und an der Seite der Armen. Getragen wird diese Arbeit von vielen Spenderinnen und Spendern – vor allem auch in der alljährlichen Weihnachtskollekte am 24. und 25. Dezember. Adveniat finanziert sich zu 95 Prozent aus Spenden. Die Hilfe wirkt: Im vergangenen Jahr konnten 1.200 Projekte mit rund 31 Millionen Euro gefördert werden, die genau dort ansetzen, wo die Hilfe am meisten benötigt wird: an der Basis, direkt bei den Menschen vor Ort.