2 Min.
10.11.2024
Ein Reiter im roten Mantel auf einem Pferd stellt Sankt Martin als römischen Soldaten beim Martinszug am 6. November 2016 im LVR-Freilichtmuseum Kommern dar.
Foto / Quelle: KNA

100 Jahre Martinsumzüge in Dortmund

Die St.-Martin-Laternenumzüge in Dortmund haben eine bewegte Geschichte, die eng mit der Katholikin Käthe Kaufhold verbunden ist.

Dortmund

1924 zog Käthe Kaufhold das erste Mal mit ihren Kindern singend und Laternen schwingend durch den Garten. Spontan schlossen sich Kinder aus der Nachbarschaft an. Der erste Dortmunder Martinszug war geboren. Sie hatte den Brauch des Martinszuges aus dem Rheinland, ihrer Heimatstadt Duisburg, mitgebracht. Im nächsten Jahr nahmen bereits 35 Kinder teil, darauf das Jahr schon 70 Kinder. Schnell wurde der Garten zu klein und der Martinszug zog durch die Straßen der Gartenstadt. Käthe Kaufhold wollte den Kindern in der Stadt eine Freude bereiten und gleichzeitig die Werte von Gemeinschaft und Nächstenliebe vermitteln, die mit dem heiligen Martin von Tours verbunden sind.

Den ersten Martinszug organisierte Käthe Kaufhold für ihre Kinder im Jahr 1924.
Foto / Quelle: unbekannt

Die Nazis erkannten jedoch schnell das Potenzial der Laternenumzüge für ihre eigene Propaganda. Sie begannen, die Umzüge zu instrumentalisieren, um ihre Ideologie zu verbreiten und die Bevölkerung zu indoktrinieren. So schickten sie 1934 ungebeten einen Spielmannszug der Hitlerjugend. Die ursprüngliche Botschaft von Gemeinschaft und Nächstenliebe sollte dabei für die Zwecke des Regimes missbraucht werden. 1938 wollte die NS-­Frauenschaft den Umzug übernehmen. Doch Käthe Kaufhold weigerte sich und wurde später von der Kriminalpolizei (vermutlich der Gestapo) zum Verhör abgeholt. Der Umzug wurde verboten. Daraufhin lud Käthe Kaufhold die Kinder wieder in ihren Garten ein. Trotz dieser schwierigen Zeiten blieb Kaufhold ihrer Überzeugung treu und setzte sich weiterhin für die Kinder und die Tradition der Laternenumzüge ein. Ihr Mut und ihre Entschlossenheit sind bis heute ein inspirierendes Beispiel für Zivilcourage und den Widerstand gegen Unterdrückung. Bis in die 1970er-­Jahre organisierte sie die Umzüge.

Umzug in den Westfalenpark

In den 1950er-­Jahren erfolgte dann eine Verlegung des Umzuges in den Westfalenpark, als dieser als Veranstaltungsort für größere Umzüge entdeckt wurde. Seitdem finden die Laternenumzüge jedes Jahr im Westfalenpark statt, wo sie zu einem festen Bestandteil des dortigen Kulturlebens geworden sind. Jedes Jahr finden annähernd 100 Martinsumzüge in Dortmund statt.

Etwas Besonderes war für Käthe Kaufhold immer der Martinsumzug in ihrer eigenen Pfarrgemeinde, bei dem zugleich das Patronatsfest gefeiert wird. Bis zu 700 Teilnehmer begleiten heute den Umzug, der als einer der wenigen in Dortmund von einem St. Martin auf einem Pferd, der Polizei und einem Blas­orchester begleitet wird. Die Wegstrecke des mehrere Hundert Meter langen Martinszuges führt vorbei am Seniorenheim durch die nördliche Gartenstadt. Im Atrium gibt es, wie damals bei Käthe Kaufhold, für die Kinder Martins­brezeln, nachdem St. Martin auf der Turmwiese seinen Mantel mit dem Bettler geteilt hat. Anlässlich des 100-­jährigen Jubiläums soll in den nächsten Monaten eine Martins­stele entstehen, die an den Beginn der Martinszüge und an die mutige Verfechterin Käthe Kaufhold erinnern soll.

0 Kommentare
Inline Feedbacks
Alle Kommentare anschauen