Hinweistafel – Über die Toten wirklich nur Gutes?
Seit der Wiedereröffnung der Krypta weist eine Tafel auf die Verfehlungen der dort bestatteten Erzbischöfe hin. (Foto: Patrick Kleibold)
Seit Tagen wird diskutiert: Ist die Hinweistafel an der Grablege der Erzbischöfe eine gute Idee? Ist der Text glücklich formuliert? Wir haben bei Reinhold Harnisch, Sprecher der Betroffenenvertretung, nachgefragt. Dompropst Joachim Göbel äußerte sich beim Jahresgedächtnis für Kardinal Degenhardt.
Paderborn (-berg). „Die Diskussion war gewünscht“, sagt Reinhold Harnisch, einer der Sprecher der Paderborner Betroffenenvertretung, zum Dom. Die Vertretung hatte sich gemeinsam mit dem Metropolitankapitel für eine solche Tafel entschieden und den Text verfasst. Die jetzige Version sei nur eine vorläufige Kommentierung, so Harnisch, die endgültige wird derzeit in einer Arbeitsgruppe erarbeitet, in der auch Prof. Nicole Priesching mitwirkt. Sie und ihre Mitarbeiterin Christine Hartig erstellen im Auftrag des Erzbistums die Missbrauchsstudie zu den Amtszeiten der Kardinäle Jaeger und Degenhardt.
Die Idee zur Tafel hatte die Betroffenenvertretung, mit Blick auf die nahende Wiedereröffnung der Krypta habe der Text schnell formuliert werden müssen, sagte Harnisch. Es sei ihnen ein Anliegen gewesen, von Anfang an einen entsprechenden Hinweis in der Grablege zu platzieren und nicht erst später.
Die Formulierung „aus heutiger Sicht“
Besonders strittig, so kann man es in Leserbriefen in den Lokalzeitungen und in den sozialen Netzwerken verfolgen, wird die Formulierung gesehen, dass die Bischöfe „aus heutiger Sicht“ schwere Fehler im Umgang mit Missbrauch gemacht haben. Kritiker äußern, Missbrauch und Versuchung seien auch damals schon falsch gewesen. Dazu erläutert Harnisch: „Damals haben aber alle gemeint, es sei in Ordnung. Auch die Justiz hat an der Vertuschung mitgewirkt.“ Das habe sich mittlerweile geändert, heute meine das niemand mehr.
Neben der Endfassung des Informationstextes befasst sich eine weitere Arbeitsgruppe mit einem Denkmal zum Thema. Dass es das geben soll, steht nach Harnischs Worten fest, nur noch nicht, wie es aussehen und wo es stehen wird. Das Verfahren dazu läuft jetzt an, die letzte Entscheidung werde dann der neue Bischof treffen.
Die dunkle Seite der Kirchengeschichte
In der Messe zum Jahresgedächtnis für Kardinal Johannes Joachim Degenhardt am 19. Juli ging Dompropst Joachim Göbel ebenfalls auf das Thema ein. Degenhardt ist einer der beiden Erzbischöfe, um die es geht. Der alte Satz „De mortuis nihil nisi bene – über die Toten nur Gutes“ sei ein richtiger und guter Rat, so Göbel. Über persönliche Schwächen Verstorbener, die keinen übermäßigen Schaden angerichtet haben, müsse man nicht sprechen, doch: „Keine Geltung kann der Satz haben bei Personen des öffentlichen Lebens, bei Menschen von historischer Bedeutung, deren große und kleine Fehler bei der Ausübung öffentlicher Ämter offen und veröffentlicht sind“, sagte er, „Bischöfe gehören dazu.“ Auch wenn klar sei, dass viele Menschen um sie herum weggesehen, geschwiegen und verdrängt hätten, seien doch sie letztverantwortlich. Dies gehöre wie vieles andere auch zur dunklen Seite der Kirchengeschichte.
Kant, Hegel und Ernest Hemingway
Das bedeute aber nicht, ihre Lebensleistung darauf zu reduzieren. Dies tue man bei anderen auch nicht, sagte Göbel. Als Beispiel nannte er die Philosophen Kant und Hegel sowie den Schriftsteller Ernest Hemingway. Die einen seien überzeugte Rassisten gewesen, der andere rühme sich in Briefen schrecklicher Kriegsverbrechen an deutschen Soldaten. Man könne Menschen nicht auf einzelne schwere Verfehlungen und schwer verständliche Brüche zwischen Überzeugungen, Glauben und konkretem Tun reduzieren: „Wir müssen lernen, darüber zu sprechen und damit umzugehen.“ Mit Blick auf die Hinweistafel, sagte er, sei sein Wunsch, dass sie nicht für immer da stehe. „Mein Wunsch ist, dass wir alle wissen und anerkennen, dass dieses Kapitel Kirchengeschichte nun zu uns gehört. Und dass wir aus dieser Geschichte lernen.“
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