35 Jahre Deutscher Kinderhospizverein
Forderungen zum Tag der Kinderhospizarbeit: „Sicherstellung der Teilhabemöglichkeiten und mehr Anerkennung für pflegende Angehörige“.
1990 war in der Bundesrepublik Deutschland ein turbulentes Jahr. Das prägendste Ereignis war sicherlich die deutsche Wiedervereinigung, aber auch der Gewinn der Fußballweltmeisterschaft wird vielleicht noch in Erinnerung sein. Eine Bewegung, die vor 35 Jahren – noch – keine bundesweite Aufmerksamkeit auf sich zog, fand in der kleinen Stadt Olpe im südlichen Sauerland ihren Ausgangspunkt: Der Deutsche Kinderhospizverein (DKHV e.V.) wurde am 10. Februar 1990 von sechs Familien, deren Kinder lebensverkürzend erkrankt waren, gegründet.
„In den 35 Jahren Kinder- und Jugendhospizarbeit haben wir viel erreicht, aber es gibt gerade in der derzeitigen politischen Situation nach wie vor viel zu tun“, sagt Marcel Globisch, Vorstand des DKHV e.V.. „Dazu möchten wir den Tag der Kinderhospizarbeit, der jährlich am 10. Februar stattfindet, nutzen und Themen der Kinder- und Jugendhospizarbeit in der gesellschaftlichen Wahrnehmung verankern,“ ergänzt Petra Kiwitt, ebenfalls Vorstand des DKHV e.V.. „Wir wünschen uns sehr, dass viele Menschen dem Aufruf folgen und ihre Solidarität mit den Familien, deren Kinder lebensverkürzend erkrankt bzw. gestorben sind, bekunden.“
100.000 junge Menschen betroffen
Nach aktueller Studienlage leben in Deutschland rund 100.000 junge Menschen mit lebensverkürzenden Erkrankungen: „Die jungen Menschen haben häufig einen hohen Pflege– beziehungsweise Assistenzbedarf, um ihr alltägliches Leben bewältigen zu können“, so Marcel Globisch. Dazu bedarf es ausreichend qualifizierter Fachkräfte: Gute und verlässliche Pflege ist notwendig, um alltägliche Dinge, wie den Schulbesuch, sich mit Freunden zu treffen oder ein Konzert zu besuchen, realisieren zu können. Fallen Fachkräfte aus, ist Teilhabe am Leben nur dann möglich, wenn Eltern die Pflege oder Assistenz übernehmen.
Familien, deren Kinder lebensverkürzend erkrankt sind, sehen sich oft als Bittsteller. Sie müssen dafür kämpfen, dass ihr Kind an einer Klassenfahrt teilnehmen kann, sie streiten sich mit Kostenträgern über dringend benötigte Hilfsmittel oder andere Leistungen, die ihnen zustehen. „Das ist nicht hinnehmbar“, unterstreicht Marcel Globisch. „Wir fordern zum einen die Sicherstellung der Teilhabemöglichkeiten für die jungen Menschen mit lebensverkürzender Erkrankung und zum anderen eine bessere Anerkennung der pflegenden Angehörigen, die Unglaubliches leisten.“
Die besonders gravierenden Unterstützungsbedarfe und Inklusionshürden sind sowohl in der vom BMAS beauftragten Studie vom November 2022, die sich mit den Eltern von Kindern mit Beeinträchtigung beschäftigt, als auch in einer im Jahre 2023 von der Humboldt- Universität in Berlin durchgeführten Studie von Prof. Dr. Sven Jennessen belegt.
Appell an die Politik
Der DKHV e.V. wird, wie bereits 2021, den demokratischen Parteien anlässlich der Bundestagswahl erneut einen Forderungskatalog mit konkreten Maßnahmen vorlegen. „Als bundesweit anerkannte Fachorganisation möchten wir die Chance nutzen, unsere Erwartungen zu erläutern, damit die dringend notwendigen Verbesserungen zum Wohle der Familien in den Koalitionsvertrag einfließen“, so Marcel Globisch abschließend.
Im Jahr 1990 bot der Deutsche Kinderhospizverein erstmalig in Deutschland ein Forum, in dem sich Betroffene in ähnlicher Lebenslage austauschen und stärken konnten. Es entstand eine bis heute bestehende Bewegung, aus der in Kooperation mit der GFO (Gesellschaft der Franziskanerinnen zu Olpe) das erste stationäre Kinderhospiz Deutschlands entstand, das 1998 in Olpe eröffnet wurde (Kinderhospiz Balthasar,
heute in Trägerschaft der GFO). Weitere Meilensteine in der Geschichte des Vereins waren die Eröffnung des ersten ambulanten Kinderhospizdienstes im Kreis Unna 2004, die Gründung der Deutschen Kinderhospizakademie sowie das erste Kinderhospizforum 2005, die bis heute größte europäische Fachtagung der Kinder- und Jugendhospizarbeit.