Alle an einem Tisch – meist harmonisch
Das Liborimahl gehört zum Volks- und Kirchenfest unbestritten dazu. Dabei ist die Tradition gar nicht so alt und einträchtig, wie es nach außen scheinen mag.
GrundEine lange Tradition? Ja und nein. Denn das Liborimahl, das wir heute kennen, findet erst seit 1955 statt. Neu ist die Idee allerdings auch wieder nicht, sondern tatsächlich tief in der Stadtgeschichte verankert. „Be- zugspunkt war eine auf den 12. März 1449 da- tierte Urkunde im Stadtarchiv, in der von Zusammenkünften des Stadtrates die Rede war, die nach der Liboriprozession alljährlich im städtischen Weinkeller stattfanden.“ Das schreibt Wilhelm Grabe im Sammelband „500 Jahre Libori“.text
Wie das Mahl damals ablief, lässt sich heute nicht mehr genau rekonstruieren. Fest steht, dass es eine wichtige Veranstaltung für die Kaufleute im Mittelalter war. In den Statuten war die Rede davon, dass Fisch serviert wurde. Speck, Schinken, aber auch Bier und Wein dürften damals aber auch eine wichtige Rolle gespielt haben. Seit 1802, so schreibt Wilhelm Grabe, gab es dann eine Pause bis eben zum Jahr 1955.
In seinen Anfängen war das Liborimahl wohl etwas für die gehobenen Schichten der Stadt, etwas Elitäres. So sollte es beim Neustart im 20. Jahrhundert allerdings nicht sein. Denn die Idee dahinter war es, den zweiten Liborisonntag volkstümlicher zu gestalten. „Man wollte Begegnungen zwischen den Vertretern von Staat, Selbstverwaltung, Wirtschaft und Bürgerschaft ermöglichen.“ Exklusiv dürfe das Treffen auf keinen Fall werden. Vielmehr sollten alle Bevölkerungsschichten vertreten sein.
Dennoch gab es im Laufe der Jahrzehnte – zum ersten Mal bereits 1957 – Kritik. Damals warfen Kritiker der Veranstaltung vor, es handele sich um eine „Werbeveranstaltung“. Später monierte die Tageszeitung Neue Westfälische, dass statt Weltoffenheit eher konservative Kreise sich träfen. „Wer teilnimmt, weiß im Grunde schon vor- her, was die Redner erzählen werden, weil das Thema gleichzeitig die Quintessenz ist.“ Dadurch dass zunehmend ebenfalls politische Schwergewichte wie Helmut Schmidt zu Gast waren, entbrannte Kritik auch an diesen Rednern. Der Paderborner Bundestagsabgeordnete und Ehrenbürger Rainer Barzel etwa er- zürnte die SPD-Stadtratsfraktion durch seine Nähe zur Flick-Affäre. Als der damalige israelische Botschafter Jitzhak Ben-Ari 1982 zu Gast war, gab es lautstarke Proteste gegen den Krieg im Libanon.
Und auch das Thema Beteiligung von Frauen ist nicht unumstritten, da sie stets in der Minderheit waren. „Frauen sind nur insoweit zugelassen, als diese selbst eine Funktion als Politikerin, Behördenleiterin oder Unternehmerin innehaben“, so Wilhelm Grabe. Bilder von heutigen Liborimahlen zeigen aber auch: Es hat sich viel verändert in den vergangenen fast 70 Jahren. Der Frauenanteil ist heute wesentlich höher, auch wenn erst eine einzige Frau die Festrede halten durfte. Das war 1997 die damalige Ministerin für Kultus und Bundesangelegenheiten Thüringens, Christine Lieberknecht.
An den Speisen selbst hat sich vermutlich, so- weit das heute nachvollziehbar ist, nicht viel geändert. Brot, Wurst, Käse und Bier gehören noch dazu. Und die Einnahmen aus den immer heiß begehrten Eintrittskarten werden noch immer an wohltätige Zwecke gespendet.
// Wolfgang Maas