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26.03.2024
Eine Zeichnung der Bielefelder Stadtsilhouette vom Jahr 1700: Die überhöht dargestellten Kirchtürme unterstreichen die seinerzeitige große Bedeutung der Konfessionen. Von links nach rechts: die zweitürmige Neustädter Marienkirche, die katholische Klosterkirche der Franziskaner mit ihrem Dachreiter, die eintürmige Altstädter Nicolai-­Kirche und schließlich die reformierte Kirche, früher die der „­Süstern“.
Foto / Quelle: Stadtarchiv Bielefeld

Als es Streit um den Ostertermin gab

Vor 300 Jahren gab es zwischen Katholiken und Protestanten Auseinandersetzungen um den „­richtigen“ Ostersonntag. Aus Gütersloh ist gar ein tumultartiger Streit überliefert.

Bielefeld / Gütersloh

Im Jahr 1724 gab es in Bielefeld ein Kuriosum: Die Protestanten feierten das Osterfest acht Tage früher als die Katholiken, und zwar am 9. ­April – die Katholiken dagegen erst am 16. ­April. Für die Unstimmigkeiten gab es unterschiedliche Gründe: differierende ­Berechnungsmethoden, aber auch ­verschiedene konfessionelle und politische Entwicklungen.

Ostern als Feier der Auferstehung Jesu Christi von den Toten gilt den Christen als das wichtigste und älteste Fest. Im 18. Jahrhundert entschied der Landesherr über die Konfession seiner Untertanen, wie es die Regelung des Augsburger Religionsfriedens von 1555 vorsah: Nach dem Motto „­cuius ­regio, ­eius ­religio“, „wessen Region, dessen Religion“. Doch in der Grafschaft Ravensberg lebten im 18. Jahrhundert neben 80 Prozent Evangelisch-­Lutherischen noch gut 15 Prozent Katholiken und einige wenige Prozente Reformierte und Juden. Dies hing mit einer gemeinsamen „Samtherrschaft“ – Gesamtherrschaft – der katholischen Pfalzgrafen und des Brandenburger Kurfürsten über Ravensberg zusammen, ab 1701 „Könige in Preußen“. Der preußische König wollte aber auf gar keinen Fall eine Woche Differenz zwischen den Osterfeierlichkeiten beider Konfessionen dulden. Doch die Katholiken hielten sich nach den Vorschriften des Papstes und die Protestanten nach denen ihres Landesherrn, der auch gleichzeitig als ihr Bischof fungierte. In der simultan genutzten katholischen Kirche in Gütersloh kulminierte diese zeitliche Diskrepanz in einem tumultartigen Streit um den Ostertermin. Ausschlaggebend dabei waren der in der evangelischen Herrschaft Rheda gebräuchliche Kalender und der im katholischen Fürstbistum Osnabrück genutzte.

Nach neutestamentlicher Überlieferung ereignete sich die Auferstehung Christi zur Zeit des vom Frühlingsvollmond abhängigen jüdischen Passah-­Festes. Nun ist der genaue Tag jedoch nicht überliefert, auch sollte die Feier nicht an einem wechselnden Wochentag stattfinden. Deshalb wurde auf dem Konzil von ­Nicäa im Jahr 325 die folgende Regelung beschlossen: Das Osterdatum sollte auf den ersten Sonntag nach dem ersten Vollmond im Frühling fallen. Als problematisch erwies sich in den folgenden Jahrhunderten, dass sowohl beim Frühlingsbeginn als auch beim Vollmond lediglich der Tag von Bedeutung ist – Stunden, Minuten und schließlich auch Sekunden blieben unberücksichtigt. Als Tag des Frühlingsbeginns wurde generell der 21. März festgelegt. Allerdings kann der astro­nomische Frühlingsbeginn auch auf den 19. oder 20. März fallen. Als „Vollmond-­Tage“ gelten dabei 19 bestimmte Kalendertage, der „Meton-­Zyklus“. Unter diesen ist der 21. März der früheste Vollmondtag. Falls er auf einen Samstag fällt, so ist der 22. März der früheste Termin für den Ostersonntag. Letzter der 19 möglichen Vollmondtage kann aber auch der 19. ­April sein. Damit wäre als spätester Ostersonntag der 25. ­April möglich.

Schwer verständliche Form der Osterberechnung

Wirkt allein schon diese Form der Osterberechnung als schwer verständlich, so wurde alles durch die gregorianische Kalenderreform im Jahr 1582 noch komplizierter. Es hatte sich nämlich herausgestellt, dass das kalendarische Tagesdatum „21. März“ nicht mehr mit dem astronomischen Ereignis der Tag-Nacht-­Gleiche im Frühling zusammenfiel. Der Kalender differierte im Laufe der Jahrhunderte bis zum Jahr 1582 um zehn Tage. Um die astronomisch-­kalendarischen Verhältnisse zur Zeit des Konzils zu ­Nicäa für das Jahr 1583 wieder „gerade zu rücken“, ließ man die zwischen dem 4. Oktober und dem 15. Oktober liegenden Tage einfach ausfallen. Der Kalender des Jahres 1582 sprang also vom Donnerstag, dem 4. Oktober, ­sofort auf Freitag, den 15. Oktober.

Um eine erneute Verschiebung des Kalenderdatums zukünftig zu vermeiden, wurde die Schaltjahrregelung eingeführt. In reformierten und protestantischen Gegenden wurde diese Anpassung des Kalenders aber zunächst nicht übernommen – sie stammte schließlich vom römisch-­katholischen Papst Gregor XIII. Erst im Jahr 1700 war schließlich aufgrund der verschiedenen Schaltjahrregelungen eine weitere Kalenderverschiebung um einen Tag zu erwarten. Daraufhin einigten sich im Jahr zuvor die protestantischen deutschen Landesherren auf dem Reichstag in Regensburg auf einen „Verbesserten Kalender“, der nur unwesentlich vom katholischen abwich. Dazu wurde der Februar des Jahres 1700 auf 18 Tage verkürzt. Ein zentrales Problem blieben jedoch die Mondphasen. Gebräuchlich ist die Einteilung in vier Viertel von je ungefähr einer Woche Länge. Ein gesamter Mondphasenzyklus von einem Neumond zum folgenden Neumond dauert im Mittel etwa 29,53 Tage. „Überschüsse“ und „Unterschüsse“ beim Kalender wurden durch die sogenannten „Zyklen“ ausgeglichen.

Die katholische Kirche der Franziskaner-­Mönche in einer Zeichnung aus dem 19. Jahrhundert
Foto / Quelle: Stadtarchiv Bielefeld

Keplers Ostergrenze

Im Jahr 1700 nahmen die Protestanten zwar die gregorianische Kalenderverbesserung, aber nicht die gregorianische Osterberechnung an, sondern bestimmten die Ostergrenze astronomisch mithilfe der von Johannes Kepler verfassten „Rudolfinischen Mondtafeln“ von 1627. Sein Auftraggeber war Rudolf II., Kaiser des Heiligen Römischen Reiches (1576–1612). Für das Jahr 1724 besagten diese, dass der Ostervollmond zwar astronomisch am 8. ­April, einem Samstag, „­cyklisch“ aber erst am 9. ­April, stattfand. Nach der Osterdefinition gingen die Katholiken also davon aus, dass Ostern damit erst am 16. ­April zu feiern war, während für die Protestanten die „astro­nomische“ Zuordnung auf den 8. ­April ausschlaggebend war, und damit Ostern für sie bereits am 9. ­April stattfand.

Während also in Gütersloh diese zeitliche Diskrepanz zu einem tumultartigen Streit um den Ostertermin führte, blieb dies den Bielefeldern glücklicherweise erspart. Allerdings sollte es einen unterschiedlichen Ostertermin im 18. Jahrhundert noch einmal geben, nämlich im Jahr 1744. Da war das evangelische Osterfest am 29. März, in der katholischen Kirche am 5. April. Eine Kuriosität, die es später nach grundlegenden Übereinkünften glücklicherweise nicht mehr geben sollte.

Die Gauß’sche Osterformel

Dazu trug maßgeblich auch die „Osterformel“ des deutschen Mathematikers und Physikers Carl Friedrich Gauß (1777–1855) bei. Sie erlaubt die genaue Berechnung des Osterdatums. In dieser ist der komplette Algorithmus der Osterrechnung formuliert. Gauß entwickelte sie im Jahr 1800. Die Formel gilt für beliebige Kalenderjahre sowohl nach dem Julianischen als auch dem Gregorianischen Kalender, solange sich die kirchlichen Regeln für die Fest­legung des Ostertermins nicht ändern.

Joachim Wibbing
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