Arbeiten im kleinsten Staat der Welt
Etwa 4.800 Menschen beschäftigt der Vatikan – Männer, Frauen, Geistliche und Laien. Die Jobs sind heiß begehrt, doch die Bedingungen speziell.
Die Katalogisierung von Musikmanuskripten in Vollzeit: Dafür sollte der Bewerber Lateinkenntnisse und ein Studium der Geisteswissenschaft mitbringen. Erfahrung in der Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung wird beim neuen Compliance-Beauftragten vorausgesetzt. Dafür erhält er einen unbefristeten Arbeitsvertrag, genauso wie der Risikomanager für Investitionen im Bereich Finanzen und Immobilien.
Das in Deutschland obligatorische (m/w/d), das Personen jederlei Geschlechts einbeziehen soll, fehlt in diesen Stellenausschreibungen. Dafür gilt: „Aufgrund des seelsorgerischen und kirchlichen Charakters des Dienstes ist die Einhaltung der Grundsätze der kirchlichen Lehre erforderlich.“ Denn die Arbeitsangebote finden sich nicht auf einer üblichen Internet-Jobbörse, sondern auf dem Stellenportal des Vatikans.
Vor etwa eineinhalb Jahr begann dessen Wirtschaftssekretariat mit der Online-Ausschreibung von Arbeitsstellen im kleinsten Staat der Welt. Ein Novum. Ganze Familiendynastien bauten ihre Existenz auf eine Stelle im Kirchenstaat – vererbten den Posten vom Vater an den Sohn und so weiter. Ebenso üblich waren wie sind Empfehlungen für eine Neubesetzung. Glücklich wer jemanden kennt, der jemanden kennt … Sind Arbeitsplätze im Vatikan doch bis heute angesehen und begehrt – vom Pförtner bis zum Behördenleiter.
Die Hälfte der Mitarbeiter arbeitet für den Heiligen Stuhl
Von den etwa 4.800 Beschäftigten arbeiten mehr als die Hälfte für den Heiligen Stuhl, also in den Behörden, Medien oder Botschaften der Weltkirchen-Verwaltung. Die anderen sind Angestellte des 44 Hektar großen Vatikanstaats: Gärtner, Verkäufer im Supermarkt oder bei der Post, Museumswärter, Reinigungskräfte.
Eine Vollzeit-Arbeitswoche im Vatikan hat 36 Stunden. Die Bezahlung erfolgt nach festgelegten Gehaltskategorien und -stufen, wie die französische Agentur Imedia kürzlich recherchierte. Demnach erhalten Angestellte zwischen 1.500 und 3.000 Euro pro Monat, bei 13 Gehältern im Jahr. Alle zwei Jahre gibt es eine Dienstalterszulage sowie einen Inflationsausgleich – wenn der Papst diese nicht wie 2021 aufgrund der Covid-Pandemie einfriert. Leitende Angestellte erhalten in der höheren, zweiten Kategorie ein Gehalt von 2.900 bis 3.600 Euro pro Monat. Der Abzug für Alters- und Krankenversicherung liegt bei etwa zehn Prozent vom Bruttogehalt. Eine Einkommensteuer wird nicht erhoben.
Vollzeit-Angestellte haben Anspruch auf 22 oder 25 Urlaubstage pro Jahr – je nachdem ob sie fünf oder sechs Tage pro Woche arbeiten. Die ausländischen Beschäftigten werden in der Zentrale der Weltkirche mit weiteren Urlaubstagen bedacht – drei zusätzliche gibt es für Europäer, fünf für Menschen aus dem Rest der Welt. Frauen erhalten einen sechsmonatigen Mutterschaftsurlaub, frischgebackene Väter drei Tage. Eine Kinderbetreuung müssen sie außerhalb der vatikanischen Mauern suchen. Mit 65 Jahren geht der nicht-geistliche Vatikan-Angestellte in Rente. Arbeitslosengeld gibt es nicht, Streiken ist verboten.
Empfehlungsvorgang für Stellen-Neubesetzungen
Einige Privilegien für die eigenen Angestellten hat Papst Franziskus abgeschafft. Einen bevorzugten Zugang zu Vatikan-Immobilien gibt es nicht mehr. Die bis dato günstigen Mieten werden schrittweise abgeschafft und an die üblichen Marktpreise angeglichen. Dem „klüngelnden“ Empfehlungsvorgang für Stellen-Neubesetzungen hatte schon Papst Benedikt XVI. einen wenigstens theoretischen Riegel vorgeschoben. Kurz vor seinem Rücktritt richtete er die „Unabhängige Bewertungskommission für die Einstellung von Laienpersonal am Apostolischen Stuhl“ ein, die jeden Bewerber überprüfen soll.
Sind die Gehälter in den untersten Stufen zwar mitunter höher als in Italien, ist ein Familienleben in Rom – besonders ohne die Mietvorteile – mit einem Vatikan-Einkommen nur schwer zu stemmen. Da fallen auch die günstigeren Lebensmittel im Vatikan-Supermarkt und das niedriger besteuerte Benzin wenig ins Gewicht.
Darum setzt der Vatikan bei seinen Angestellten häufig auf Priester und Ordensleute – ohne Anhang, dafür mit Zugang zu günstigen Zimmern in den zahlreichen katholischen Häusern Roms. In einem davon, dem vatikanischen Gästehaus Santa Marta, lebt Papst Franziskus. Der bezieht gar kein Gehalt, lebt dafür aber in Vollpension.