1.200 Jahre Kloster Corvey
Westfassade des Schlosses und die Abteikirche im ehemaligen Kloster Corvey am 3. Juni 2013 in Höxter. (Foto: KNA)
Vor 1 200 Jahren gründeten Mönche aus dem französischen Benediktinerkloster Corbie am Weserufer das Kloster Corvey. Der Paderborner Bischof Badurad weihte das Klosterareal am 25. August 822. Am 26. September ließen sich die Mönche in dem zwei Kilometer von Höxter entfernt gelegenen Corvey nieder.
Höxter. Zwar ist die heute 144 Seelen umfassende katholische Gemeinde Corveys eine der kleinsten in Deutschland – aber das Klosterjubiläum wird von ihr ab dem 25. September groß gefeiert. Von der durch Kaiser Ludwig den Frommen (regierte 814 bis 840) zur Reichsabtei erhobenen Klosterstadt steht noch das von 873 bis 885 aus roten Sandsteinbrocken erbaute Westwerk. Es ist eines der wenigen erhaltenen Monumente aus karolingischer Zeit. Das trug ihm zusammen mit den im Erdreich unter den barocken Neubauten verborgenen Überresten der im Dreißigjährigen Krieg zerstörten Klosterstadt den Titel eines UNESCO-Weltkulturerbes ein. Ursprünglich bestand das Westwerk aus zwei Treppentürmen und einem Zwischenbau, den ein weiterer Turm bekrönte. Den ließ der von 1146 bis 1158 amtierende Abt Wibald von Stablo abbrechen und durch ein zweigeschossiges Glockenhaus ersetzen. Jüngste Zutat sind die den Treppentürmen um 1600 aufgesetzten langen spitzen Helme.
„Von Engeln bewacht – die Himmelsstadt“
Am erkerartigen Vorbau der Westfassade bittet eine lateinische Schrifttafel: „Beschirme diese Stadt, o Herr, und lasse Deine Engel Wächter ihrer Mauern sein.“ Die Schrifttafel „ist quasi der Grundstein der Klosterstadt“, wie Christoph Stiegemann urteilt. Der ehemalige Direktor des Paderborner Diözesanmuseums leitet ein wissenschaftliches Team, das uns unter dem Titel „Von Engeln bewacht – die Himmelsstadt“ Corveys bewegte monastische Geschichte vermitteln will. Im Westwerk will Stiegemann unter Einsatz moderner Technologien die „Verlebendigung des Vergangenen“ verwirklichen.
Für Besucher sind das Erdgeschoss und die darüber gelegene Johanniskapelle zugänglich. Stiegemann macht auf Bautechnik auf höchstem Niveau aufmerksam und weist auf die kunstvoll nach antiken römischen Vorbildern ausgeführten Blattkapitelle hin. An etlichen Stellen finden sich matte Reste von Wandmalereien aus der Erbauungszeit. Bislang aber bevorzugen die Besucher die Besichtigung der sich an das Westwerk anschließenden Abteikirche. Sie leuchtet wie Corveys Wappen in Rot und Gold und wird von pausbäckigen Engeln bewohnt. Die dem heiligen Stephanus und heiligen Vitus geweihte Barockkirche gehört zu den bedeutendsten in Westfalen.
Jubiläumsjahr wird mit einem Festakt im Kaisersaal eröffnet
Künftig gibt es eine gläserne Trennwand zwischen Westwerk und Barockkirche. Sie lässt sich blickdicht schalten, um bei Führungen als Projektionsfläche zu dienen. Die Glanzzeit der Reichsabtei reicht von ihren Anfängen bis ins 12. Jahrhundert. Von ihr ging die Missionierung von Sachsen, Norddeutschland, Dänemark und Schweden aus, um die sich der später heiliggesprochene Ansgar verdient machte. Noch immer erinnert alljährlich die Vitus-Prozession an die anno 836 erfolgte Überführung des Leibes des heiligen Märtyrers Vitus vom bei Paris gelegenen Kloster St. Denis nach Corvey. Der Wiederaufbau der im Dreißigjährigen Krieg zerstörten Klosteranlage war 1740 abgeschlossen.
Ein gestalterischer Höhepunkt ist der mit roten und blauen Farbschleiern überzogene Kreuzgang im Kloster Corvey, in dem als einziges noch erhaltenes Stück aus der abgerissenen ursprünglichen Abteikirche ein großes Kruzifix hängt. Das Jubiläumsjahr wird mit einem Festakt im Kaisersaal eröffnet. Ihn schmücken die Darstellungen von Karl dem Großen, Ludwig dem Frommen, dem sechs Mal in Corvey weilenden heiligen Kaiser Heinrich II. und 17 weiteren wohltätigen Herrschern. Papst Pius VI. wandelte das Kloster und seinen Landbesitz 1792 in ein Fürstbistum um. Es bestand bis 1803. Seit 1840 ist das in weiten Teilen zum Schloss umgebaute Anwesen Eigentum des Herzoglichen Hauses Ratibor und Corvey, während die Abteikirche und das Westwerk der Kirchengemeinde gehören.
Feuerwerk der Farben im Kloster Corvey
Für den auf drei Seiten von Emporen umgebenen Johannischor kündigt Stiegemann ein „Feuerwerk der Farben“ an. Von den auf die Wände gemalten bunten Ornamentbändern, Akanthusranken, geometrischen Mustern und illusionistischen Architekturelementen sind nur kleine Reste erhalten. Erstaunlich sind die für das christliche Mittelalter einzigartigen Darstellungen aus der antiken Mythologie. Schemenhaft sind das Meeresungeheuer Skylla und zwei ihrer Hunde zu erkennen. Der auf Skyllas Ringelschwanz stehende Odysseus stößt einem der Hunde seinen Speer in den Rachen. Über sechs Pfeilern ist der Putz abgeschlagen. Schwach sichtbar sind hier rote Vorzeichnungen lebensgroßer Figuren.
Diese unscheinbaren Relikte reichen aus, um mittels digitaler Technik das ursprüngliche Erscheinungsbild des Johannischores auferstehen zu lassen. Dazu können sich die Besucher Tablets ausleihen. Auf eine Stelle im Raum gerichtet, wird diese auf dem Tablet von deren ursprünglichem Aussehen überblendet. Nächstes Jahr will Stiegemann die Dauerausstellung neu konzipieren und so die „Steine zum Sprechen bringen“. Der Titel steht schon fest: „Das Jahrtausend der Mönche.“