200 Millionen verfolgte Christen
Kelkheim (KNA). Die Farbmarkierungen auf der Weltkarte von „Open Doors“ sind eindeutig: Vor allem im Mittleren Osten, aber auch im Norden und Osten Afrikas sowie im südlichen Asien häufen sich rote und orangefarbene Fähnchen, die auf starke Christenverfolgung hinweisen. Zum wiederholten Mal hat die international agierende evangelikale Organisation am Mittwoch einen „Weltverfolgungsindex“ veröffentlicht, der eine Rangliste der 50 Länder mit der schlimmsten Christenverfolgung enthält.
von Christoph Arens
Von einer weiter zunehmenden Verfolgungsdynamik ist die Rede. Hatte „Open Doors“ im vergangenen Jahr von deutlich mehr als 100 Millionen verfolgten Christen gesprochen, so bezifferte die Hilfsorganisation diese Zahl jetzt aufgrund einer „Neueinschätzung“ auf rund 200 Millionen. Schuld daran sei vor allem radikaler Islamismus. Aber auch ein wachsender Nationalismus in hinduistisch oder buddhistisch geprägten Staaten Asiens setze Christen massiv unter Druck, heißt es.
Die Zahlen von „Open Doors“ sind umstritten, weil eine exakte Definition von Verfolgung äußerst schwierig ist. Sie reicht von direkter Gewalt über diskriminierende Gesetze bis hin zu gesellschaftlicher Ausgrenzung. Oft gibt es Verbindungen zwischen sozialen, politischen und religiösen Gegensätzen. Die beiden großen Kirchen verzichten lieber darauf, konkrete Zahlen zu nennen. Doch „Open Doors“ verteidigt die Statistiken und ist stolz, das Thema überhaupt nach vorn gebracht zu haben. Es gehe darum, die Perspektive verfolgter Christen einzunehmen, betont Geschäftsführer Markus Rode.
Erneut führt Nordkorea den Index an: Die 300 000 Christen könnten unter der Herrschaft von Kim Jong-un nur im Untergrund überleben. Etwa 70 000 von ihnen seien Folter und härtester Zwangsarbeit ausgesetzt. Von Platz vier auf zwei vorgerückt ist Somalia, wo nur einige Hundert Christen leben, die vom Islam konvertiert sind. „Im Falle ihrer Entdeckung müssen sie damit rechnen, auf der Stelle ermordet zu werden“, sagt Rode.
Hart getroffen wurde die Kirche in Pakistan (Rang vier), wo allein am Ostersonntag 2016 in Lahore mehr als 50 Christen bei einem Anschlag den Tod fanden. Im Sudan (Rang fünf) lässt der islamistische Präsident Omar Bashir laut Bericht in den überwiegend von Christen bewohnten Nuba-Bergen Bomben abwerfen und zerstört christliche Schulen, Krankenhäuser und Kirchen. Syrien und der Irak folgen auf den Plätzen sechs und sieben – hier habe die systematische Vertreibung 2016 die fast 2 000 Jahre dort lebenden christlichen Gemeinschaften an den Rand des Verschwindens gebracht.
In 8 der 10 erstplatzierten und in 35 der 50 aufgeführten Länder ist der Analyse zufolge islamische Unterdrückung Ursache der Verfolgung. Für die Verschärfung macht „Open Doors“ neben islamistischen Regimes auch Netzwerke wie Boko Haram und al-Shabaab verantwortlich, die in ihren Gesellschaften immer mehr Einfluss gewönnen. Sie gründeten mit Hilfe aus Saudi-Arabien Schulen mit extremistischer Prägung in Somalia, aber auch in Kenia oder Niger, schleusten Anhänger in öffentliche Ämter oder kontrollierten den Bau von Moscheen.
Verantwortlich für Verfolgungen sind laut Hilfsorganisation auch verunsicherte Regierungen, die Ressentiments gegen religiöse Minderheiten schürten. Besonders hervorgehoben wird Indien, das erstmals auf Platz 15 zu finden ist (siehe Bericht Seite 11).
Ähnliche Entwicklungen sieht „Open Doors“ auch in anderen asiatischen Ländern: Buddhistisch motivierter Nationalismus führe zur systematischen Benachteiligung von Christen in Bhutan und in Sri Lanka. „In China hat die Sorge vor ausländischem Einfluss dazu geführt, dass neue Regeln eingeführt wurden, verbunden mit einer Warnung an die Christen, vor feindseligen ausländischen Kräften auf der Hut zu sein“, schreibt „Open Doors“. Parteichef Xi Jinping habe seinen Untergebenen geraten, wenn man schon einer Religion angehören müsse, solle man doch bitte eine chinesische wie den Konfuzianismus ausprobieren.