Adrenalin, Alkohol und Aggression
Freuten sich über klare Worte von Uli Borowka (Mitte): die Organisatoren der Caritas-Suchtberatung, der Sparkasse und des SV Brilon (vorne, v. l.): Heinz-Georg Eirund, Petra Brandenburg, Liliane Schafiyha-Canisius, Viktoria Sirotkin, Uli Borowka, Jessica Büsing, Daniela Balkenhol, Jürgen Hillebrand und Oliver Vogel sowie (hinten, v. l.): Gregor Völlmecke, Sabine Becker und Gabriele Weißmann-Tigges.
Brilon. „Die Axt“ redet Tacheles. „Axt“ wurde Uli Borowka auf dem Fußballplatz genannt. „Ich war ein Alphatier“, sagte der ehemalige Fußballprofi auf Einladung des Caritasverbandes Brilon vor mehr als 160 Zuhörern im Atrium der Sparkasse Hochsauerland. „Und ich war ein Gefangener in einer Ritterrüstung.“ 16 Jahre exzessiver Alkoholkonsum gegen Selbstzweifel, 14 Jahre Medikamenteneinnahme gegen Schmerzen.
Uli Borowka, zweimaliger deutscher Meister, DFB-Pokalsieger, Europapokalsieger und sechsfacher Nationalspieler, schilderte auch die Hochgefühle, Gegenspielern wie Klinsmann oder Möller Angst eingejagt zu haben, und eine Zeit lang als bester Abwehrspieler der Bundesliga gegolten zu haben. Das sei eine brutale Zeit des Doppellebens mit Leistungssport und Alkohol gewesen, die im Jahr 2000 eine Zäsur erfuhr: Der Ex-Bundesliga-Profi von Borussia Mönchengladbach (unter Trainer Jupp Heynckes) und Werder Bremen (unter Trainer Otto Rehhagel) macht auf Veranlassung von letzten verbliebenen Freunden eine stationäre Therapie in der Suchtfachklinik Bad Fredeburg.
Den Einstieg dort mit 4,1 Promille bei der Aufnahme beschreibt Uli Borowka als brutal – wie so vieles in Borowkas Leben. Eigentlich alles: als Profifußballer („Als Spieler wirst du vom Verein als reines Kapital gesehen“), als Freund und Familienmensch („Ich war ein Arschloch“), zu sich selbst („Zwei, drei Pullen Wein, eine Kiste Bier: Ich habe Schindluder mit meinem Körper getrieben“). Und auch nach 17 Jahren Abstinenz ist es im Alltag manchmal noch schwierig: „Es ist nicht einfach, als trockener Alkoholiker in Deutschland zu leben. Alkohol ist bei uns ein Kulturgut.“
Von den harten Zeiten und Seiten berichtete Uli Borowka auf Einladung der Sucht- und Drogenberatung des Caritasverbandes Brilon in Kooperation mit dem SV 20 Brilon und der Sparkasse Hochsauerland bei der Lesung aus seiner Autobiografie „Volle Pulle – Mein Doppelleben als Fußballprofi und Alkoholiker“. Dabei glich die Lesung eher einem lockeren, weil offenen Frage-Antwort-Spiel. Drei kurze Leseeinlagen, denen immer die höflich-einladende Aufforderung folgte: „Fragen Sie! Fragen Sie mich ruhig!“ Lieber miteinander sprechen, als dass nur einer stur vorliest. Lesen kann man auch alleine zu Hause. Miteinander reden nicht.
Uli Borowka, der dreimal gegen Weltfußballer Diego Maradona spielte und diesem kaum eine Chance ließ, kritisierte so manches, was vielerorts gang und gäbe sei. Zum Beispiel den Biergenuss am Spielfeldrand, während der Nachwuchs trainiert. Oder dass Vereine ausgezeichnet werden, weil sie kein Bier an unter 16-Jährige ausschenken. „Eine Auszeichnung dafür, dass das Jugendschutzgesetz eingehalten wird? Ist das noch normal?“ Für den 53-jährigen Ex-Profi nicht: „Es gibt Orte, dort sollte Alkohol verboten sein. Als Erwachsene haben wir eine Vorbildfunktion. Wir sollten Bier nicht vor den Kindern trinken.“ Zugleich bleibt er Realist mit Blick auf das Millionen-Sponsoring durch Brauereien und Wettanbieter im Profisport, wirkt fast resigniert, bleibt aber bei seiner klaren Meinung.
Und die klingt brutal ehrlich und offen, was daran liegen mag, dass Borowka seine heutigen Ein- und Ansichten auf die harte Tour erlangt hat: „Ich bin trockener Alkoholiker und ich weiß, dass ich ein Leben lang gefährdet sein werde.“ Jetzt will er andere, vor allem Jüngere, ermutigen. Komasaufen oder Gruppenzwang: „Wer Nein sagt, der ist wirklich stark!“