Alle Christen sind zur Heiligkeit berufen
Die diesjährige Wallfahrtszeit ist beendet. Erzbischof Hans-Josef Becker löscht die Wallfahrtskerze vor dem Gnadenbild der „Trösterin der Betrübten“.Foto: Nückel
Werl. Mit einem festlichen Pontifikalamt, das Erzbischof Hans-Josef Becker mit den Gläubigen feierte, ist am Allerheiligentag die Wallfahrtszeit in Werl beendet worden. Der Gottesdienst wurde in diesem Jahr von der ARD als Fernsehgottesdienst gesendet.
von Matthias Nückel
Vieles war ungewohnt an diesem Allerheiligenfest in der Werler Wallfahrtsbasilika. Kameras waren in der Kirche verteilt. Helle Scheinwerfer leuchteten die Basilika in Weiß und Blau aus. Kabelträger schleppten die Kabel hinter den Kameras her. Und vor Beginn der Messe gab es vom stellvertretenden WDR-Rundfunkbeauftragten der katholischen Kirche, Klaus Nelißen, einige Anweisungen für die vielen Gläubigen, die wieder zur „Trösterin der Betrübten“ gekommen waren. Es war kein normaler Abschluss des Wallfahrtsjahres im größten Marienwallfahrtsort des Erzbistums Paderborn. Denn in diesem Jahr wurde der Gottesdienst live im Ersten Programm übertragen.
Pünktlich um 10.00 Uhr begrüßte Wallfahrtsleiter Pater Ralf Preker an der Heiligen Pforte der Basilika die TV-Zuschauer. Der Gottesdienst war minutiös geplant und am Tag zuvor noch geprobt worden. Manches, was regelmäßige Werl-Pilger gewohnt sind, fiel der zeitlichen Begrenzung der TV-Übertragung zum Opfer. So löschte Erzbischof Hans-Josef Becker die Wallfahrtskerze – von vielen Besuchern in der Kirche unbemerkt – während des Schlussliedes, statt in einer eigenen Zeremonie.
In seiner Predigt ging der Erzbischof auf das Thema Heiligkeit ein. Er werde oft gefragt, ob man mit der Bergpredigt Politik machen könne, sagte Becker. Politik jedoch werde nach Mehrheiten gemacht. „Ich habe Zweifel, ob die Bergpredigt mehrheitsfähig ist”, so der Erzbischof. Die Seligpreisungen könnten auch nicht verordnet, sondern nur persönlich umgesetzt werden.
Die Heiligen seien Jesus in besonderer Form nachgefolgt. Doch seien alle Christen zur Heiligkeit berufen, betonte Becker. Dies sei gerade die Faszination der frühen christlichen Gemeinden gewesen. Sie hätten zum Beispiel Arme gespeist oder Gefangene besucht. „Diese Heiligkeit ist nicht weltfremd. Solche handfesten Heiligen braucht unsere Gesellschaft und unsere Kirche. Die offiziell anerkannten Heiligen können dabei Wegweiser sein“, betonte Erzbischof Becker. Deshalb sei die Frage nicht, ob die Bergpredigt eine Regel des Staates sein könne, sondern ob sie persönliche Richtschnur für Christen sei.
Während die Gläubigen in der Basilika die Unruhe und den Ablauf der Messe nach Stoppuhr ein wenig bemerkten, sahen die TV-Zuschauer einen Gottesdienst, der vom Madrigalchor unter Leitung von Jörg Segtrop sowie Wolfgang Bitter am Orgelpositiv und Werner Rickert an der Orgel musikalisch besonders festlich gestaltet wurde. Fast eine Million Menschen feierten daheim vor dem Fernsehschirm den Gottesdienst mit. Dafür muss man bei einer TV-Übertragung bei der Gestaltung der Messe einige Kompromisse eingehen.