Als Jubel aufbrandete
Freuen sich auf die gemeinsame Zukunft (v. l.): Akademie-Geschäftsführer Andreas Pfläging, Provinzökonomin Sr. Anna Maria Hovest (SMMP), Provinzassistentin Sr. Maria Martha Horstschräer und der Geschäftsführer der Elisabeth-Klinik, Frank Leber.
Bestwig. Lautstarker Jubel brandete im Bürgersaal des Bestwiger Rathauses auf: Soeben hatten die Mitarbeiter der Bildungsakademie für Therapieberufe in Velmede ihren 100 Schülern und vielen ihrer Eltern bekannt gegeben, dass die Ausbildung zum Ergo- und Physiotherapeuten ab sofort schulgeldfrei ist. Innerhalb des Regierungsbezirkes Arnsberg ist das einmalig.
„Dann muss ich nebenher nicht mehr im Supermarkt arbeiten. Das bedeutet mehr Zeit fürs Lernen“, sagt Leon Kurek begeistert. Der 19-jährige Briloner ist angehender Physiotherapeut im ersten Ausbildungsjahr. Viele Schüler gehen einem Nebenjob nach, um ihre Ausbildung zu finanzieren. Auch Nicole Borchert aus Niedersfeld, die sich mit Ende 30 noch einmal für eine Ergotherapie-Ausbildung entschieden hat und im September ihr Examen macht: „Ich gehe nebenher kellnern. Das muss ich jetzt nicht mehr. Gerade in der entscheidenden Prüfungsphase ist das sicher ein Vorteil.“
Möglich wird die Neuregelung der Finanzierung durch eine Kooperation des bisherigen Ausbildungsträgers, der Schwestern der heiligen Maria Magdalena Postel (SMMP), und der Elisabeth-Klinik in Bigge-Olsberg. Beide gründeten jetzt die gemeinnützige „Bildungsakademie für Therapieberufe gGmbH“. Für die Auszubildenden gilt die Schulgeldbefreiung bereits rückwirkend ab 1. Mai.
Aktuell zahlen die Auszubildenden 410 Euro im Monat. Trotz des riesigen Bedarfs an Ergo- und Physiotherapeuten sieht der Gesetzgeber für freie Schulen bislang keine Refinanzierung vor. Der bisherige Leiter und künftige Geschäftsführer der Bildungsakademie, Andreas Pfläging, nannte Zahlen: „In Nordrhein-Westfalen kommt nur ein Physiotherapeut auf knapp 2,5 offene Stellen und ein Ergotherapeut auf gut 1,4 offene Stellen. Im Durchschnitt dauert es 134 Tage, bis eine offene Position im Bereich Physiotherapie neu besetzt werden kann. Und bedingt durch den demografischen Wandel wird der Bedarf an medizinischen und therapeutischen Fachkräften steigen.“ Von 53 Physiotherapieschulen in Nordrhein-Westfalen seien lediglich 10 schulgeldfrei, von den 26 Ergotherapie-Schulen nur 4. Eine Schulgeldbefreiung ist da möglich, wo die Finanzierung über das Krankenhausfinanzierungsgesetz geregelt ist – also da, wo die Ausbildung an Krankenhäuser angegliedert ist. Deshalb suchten die Bildungsakademie für Therapieberufe und die Elisabeth-Klinik in Bigge-Olsberg, die selbst 35 Therapeuten beschäftigt, die Zusammenarbeit. „Die Bezirksregierung hat unserem Modell dann schnell zugestimmt. Denn auch sie ist daran interessiert, den Fachkräftebedarf an Therapeuten im Hochsauerlandkreis zu decken“, sagt der Geschäftsführer des Krankenhauses, Frank Leber.
Seit dem 3. April liegt der Bewilligungsbescheid vor. Der gilt für jeweils 24 Physio- und 22 Ergotherapeuten in allen drei Ausbildungsjahrgängen, was der bisherigen Kapazität der Schule entspricht.
„Wir müssen der Ordensgemeinschaft dafür danken, dass sie immer an der Schule festgehalten und das trotz des Schulgeldes anfallende Defizit aus eigenen Mitteln gedeckt hat“, erklärte Frank Leber. „Sonst hätten wir bei der Versorgung mit therapeutischen Fachkräften in dieser Region schon lange ein Problem.“ Auch viele der Mitarbeiter der ergotherapeutischen Praxen der Schwestern der heiligen Maria Magdalena Postel in Arnsberg-Oelinghausen, Meschede-Freienohl und Bestwig sind während der vergangenen 22 Jahre bei der Bildungsakademie ausgebildet worden.
Für Schüler, die 2017 mit der Ausbildung beginnen, bedeutet die neue Finanzierung eine Ersparnis von 14 960 Euro. Und selbst diejenigen, die ihre Ausbildung in diesem September beenden, sparen immerhin 2 250 Euro. Die Bildungsakademie rechnet jetzt mit deutlich steigenden Bewerberzahlen.