An jüdische Mitbürger erinnert

Friedensorte sind Leuchttürme für das Frieden stiftende Engagement einer Gesellschaft. Fürstenau, ein Dorf im Kreis Höxter, hat einen solchen Ort geschaffen und sich aktiv mit der Vergangenheit auseinandergesetzt.

In Fürstenau erinnert seit dem 9. Juli 2021 ein Bronzerelief an die Deportation und Ermordung der jüdischen Mitbürger während der Zeit des Nationalsozialismus. Zu Beginn der Vertreibung wohnten noch 21 jüdische Bürger in Fürstenau. 1941 wurden 17 von ihnen ins KZ Riga deportiert. Ein Jahr später holte man auch die letzten jüdischen Anwohner ab. Ihre Besitztümer wurden daraufhin im Ort versteigert und verteilt.

Geschaffen wurde das 70 x 100 cm große Bronze­relief von der gebürtigen Fürstenauer Bildhauerin Sabine Hoppe. Das Mahnmal steht auf einem Sandsteinsockel, auf dessen Rückseite eine Infotafel mit den Namen sowie den Geburts- und Deportationsdaten der ehemaligen jüdischen Bewohner angebracht wurde. Das Mahnmal zeigt die 21 jüdischen Mitbürger Fürstenaus, wie sie mit Taschen und Koffern aus der Syna­goge kommen. Ihr Weg führt ins Ghetto. Die Darstellung der Menschen ist sehr eindrücklich. Der Betrachter kann die Furcht in ihren Gesichtern erkennen, viele haben weit aufgerissene Münder, andere umarmen sich oder spenden den Kindern Trost. Sie gehen mit gesenktem Haupt ins Ungewisse. Auf der Infotafel darunter ist zu lesen: „Clara Pins und Helmut Löwenstein waren die einzigen Überlebenden. Alle anderen wurden ermordet.“

Künstlerische Erbe der Öffentlichkeit zugänglich zu machen

Helmut Löwenstein wurde mit seiner Familie ins KZ Riga deportiert, verlor dort alle Angehörigen. Heute lebt er unter dem Namen Harry Lowenstein in den USA und ist der einzige noch lebende Höxteraner Zeitzeuge des Holocaust. Im Jahr 2018 kam er erstmals zurück in seinen Heimatort. Initiiert wurde der Besuch von der Jacob Pins Gesellschaft. Der gemeinnützige Verein hat es sich zum Ziel gesetzt, „das künstlerische Erbe des aus Höxter nach Palästina geflohenen Holzschneiders und Malers Jacob Pins zu verwalten und der Öffentlichkeit zugänglich zu machen und damit zugleich auch an die im Dritten Reich ermordeten jüdischen Mitbürger zu erinnern“.

Es vergingen mehr als 70 Jahre, bis Harry Lowenstein nach Fürstenau zurückkehrte. Bei seinem Besuch traf er auf alte Klassenkameraden und besuchte verschiedene Erinnerungs­orte, wie die ehemalige Syna­goge und den jüdischen Friedhof im Ort. Seine Großeltern wurden dort begraben. Lowenstein war es auch, der den Anstoß für ein Mahnmal gegeben und unterstützt hat. Drei Jahre nach seinem Besuch wurde es dann realisiert. Die Künstlerin fertigte zusätzlich ein kleines Modell für ihn an, welches nach Amerika versandt wurde.

Info

Das Mahnmal steht neben der Kirche auf der Ecke zwischen der Detmolder Straße und der Hohehäuser Straße in Fürstenau (Kreis Höxter). Die ergreifende Dokumentation von Madeye-­Films „Harry Lowenstein – Der letzte Höxteraner Holocaust-­Überlebende“ kann man auf ­Youtube ansehen.

Christina Frampton

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