Armenien – Warmes Wasser liefert die Sonne

Überall in der armenischen Provinz Shirak sind im Sommer braune rechteckige Platten gestapelt. Es handelt sich um Kuhdung, der mit Stroh vermischt zu Briketts geformt zum Trocknen aufgestellt ist. Er dient in dieser baumarmen landwirtschaftlich geprägten Gegend als Brenn- und Heizmaterial. Der energetische Wirkungsgrad ist niedrig, die hohe Rauchbelastung der Raumluft schädigt die Gesundheit. (Fotos: Lahrmann)

Die Caritas in Armenien stattet bedürftige Familien mit Solaranlagen aus. Damit erhöht sich die Lebensqualität der Betroffenen enorm, denn fließendes warmes Wasser ist für die ­meisten Menschen unerreichbarer Luxus. Zudem verringern sich die CO2-­Emissionen. 

Eriwan. Strahlend dreht ­Marianna ­Mekhakyan den Hahn auf. „Fühlen Sie mal“, sagt sie, als warmes Wasser aus der Leitung fließt. „Ich bin sehr zufrieden“, sagt sie über ihre neue Solarthermie-­Anlage. Die Sonne heizt den Speicher manchmal sogar bis über neunzig Grad auf und es ist immer genug Wasser da, dass die ganze Familie abends duschen kann. Stolz zeigt ­Marianna ­Mekhakyan die mit rauen Steinen selbst gemauerte Duschkabine. Zum ersten Mal in ihrem Leben verfügt die sechsköpfige Familie über fließendes Warmwasser.

Die ­Mekhakyans, Eltern und vier kleine Kinder, wohnen in dem Dorf ­Gharibdjanian, im Nordwesten Armeniens. Die Familie gehört zu den Begünstigten eines Erneuerbare-Energien-­Projektes, das die Caritas Armenien mit deutscher Hilfe umsetzt. Geldgeber ist das deutsche Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit (BMZ), das hier Entwicklungshilfe mit Klimazielen verbindet. Unterstützt wird die Caritas Armenien vom deutschen Hilfswerk Caritas international, das nicht nur Expertenwissen, sondern zum Gesamtbudget von 600 000 Euro auch rund 143 000 Euro aus Spendenmitteln beisteuert.

Mit deutscher Unterstützung werden Solaranlagen, die warmes Wasser liefern, auf die Dächer von bedürftigen Familien gesetzt. Die Sonneneinstrahlung in Armenien ist hoch, in den Boilern werden 300 Liter Wasser erhitzt.
Mit deutscher Unterstützung werden Solaranlagen, die warmes Wasser liefern, auf die Dächer von bedürftigen Familien gesetzt. Die Sonneneinstrahlung in Armenien ist hoch, in den Boilern werden 300 Liter Wasser erhitzt.

Ökologisch und sparsam

Damit unterstützt das Caritas­projekt rund 1 700 Menschen aus 340 einkommensschwachen Haushalten, damit sie klima­freundlicher heizen und weniger Geld für Heizmaterial ausgeben müssen. Auch vier Gemeinschaftseinrichtungen wie zum Beispiel der Kindergarten im Nachbardorf profitieren von der Installation von Solar­thermie oder Photovoltaik. Die meisten der Gemeinden in der Provinz ­Shirak, eine halbe Autostunde von der Stadt ­Gjumri entfernt, sind nicht an das Erdgasnetz angeschlossen. Deswegen sieht man überall in der ländlich geprägten Gegend auf Begrenzungsmauern, in Gärten, oder direkt am Straßenrand braune rechteckige Platten aufgestellt oder gestapelt. Es handelt sich um Kuhdung, der mit Stroh vermischt zu Briketts geformt zum Trocknen aufgestellt ist. Die Familien nutzen ihn zum Heizen, weil Brennholz in der baum­armen Gegend teuer ist. Die Winter sind kalt im bergigen Armenien, sehr kalt, es werden Temperaturen von minus 20 Grad erreicht. 

Marianna ­Mekhakyan ist glücklich, dass die Caritas ihr zu fließend Warmwasser verholfen hat.
Marianna ­Mekhakyan ist glücklich, dass die Caritas ihr zu fließend Warmwasser verholfen hat.

In der Wohnung der ­Mekhakyans muss das Ofenrohr geglüht haben, denn an der Stelle, wo es die Wand hochgeführt wurde, ist die Tapete weggekohlt. Jetzt im Sommer ist der Ofen abgebaut, steht draußen. Im Winter belasten Wärmeverluste wegen fehlender Dämmung, niedrige Wirkungsgrade beim Verbrennen der Biomasse und dazu noch eine hohe Rauch­belastung der Raumluft die mittellosen Haushalte besonders. 

Auswirkungen des Krieges

„Früher hatten wir kein Bad“, erzählt Marianna ­Mekhakyan. Wasser musste auf dem Ofen oder mit einer Art elektrischem Tauchsieder erhitzt werden. Eine gefährliche Methode, bei der es immer wieder zu Unfällen mit Kindern kommt. Die  wirtschaftliche Situation der Familie ist prekär, der Mann hat nur ein kleines Einkommen als Fahrer, kann schwere Arbeit nicht leisten. Viele andere Familienväter arbeiten monatelang als Gastarbeiter vor allem in Russland, doch auch deren Löhne reichen in Folge des Krieges und steigender Kosten nicht wirklich aus, um die Familien zu versorgen. Der Staat zahlt ein bisschen Kindergeld, für die vier Kinder der ­Mekhakyans umgerechnet rund 110 Euro im Monat. 

Wichtig: Eigenanteil

Davon hat die Familie monatelang etwas abgezweigt, um den Eigenanteil von 5 Prozent für die Solaranlage leisten zu können. Rund 1 200 Euro hat die Anlage gekostet, mit der 300 ­Liter Wasser erwärmt werden können. Pro Familienmitglied werden 50 Liter warmes Wasser am Tag kalkuliert. Einen Eigenanteil müssen alle Begünstigten aufbringen. „Ein Eigenanteil ist wichtig, damit die Familien die ­Solaranlage als ihr Eigentum ansehen und auf sie achten“, sagt ­Armen ­Martirosyan, der bei der Caritas Armenien das Programm der erneuerbaren Energien koordiniert. 

Zu sechst lebt Familie ­Mekhakyan in dem kleinen Haus, das die Urgroßeltern des Mannes 1920 gebaut haben und das seine Eltern 1972 erweitern konnten.
Zu sechst lebt Familie ­Mekhakyan in dem kleinen Haus, das die Urgroßeltern des Mannes 1920 gebaut haben und das seine Eltern 1972 erweitern konnten.

Weil Armenien über ein bedeutendes Potenzial an erneuerbaren Energien verfügt, ist das Programm ein guter Beitrag zum Klimaschutz. Die Sonne scheint hier an 300 Tagen im Jahr, die Sonneneinstrahlung liegt mit 1 720 Kilowattstunden pro Quadratmeter deutlich höher als im europäischen Durchschnitt, der bei 1 000 ­kWh/­m2 liegt. ­Ursprünglich lief das Erneuerbare-Energien-­Projekt von 2020 bis 2023, es wurde dann bis 2024 verlängert. Eine erste Auswertung hat ergeben, dass jede Solaranlage ca. drei Tonnen CO2 pro Jahr einspart. Damit könnte es auch als Vorbild für nachfolgende Klimaschutzprojekte dienen, die nicht mehr staatlich, sondern zum Beispiel über die private ­Klima-­Kollekte finanziert ­werden.  

Klima-Kollekte

Die Klima-­Kollekte ist ein CO2-­Kompensationsfonds christlicher Kirchen, über den Verbraucher ihren CO2-­Ausstoß kompensieren können. Zum Beispiel, wenn sie lange Flugreisen machen, dicke Autos fahren oder sonst im Alltag einen großen CO2-­Abdruck hinterlassen. Die Ausgleichszahlungen aus der Klima-­Kollekte müssen gezielt in Projekte in armen Ländern hauptsächlich des Globalen Südens investiert werden. Dort mindern sie zugleich die Armut vor Ort, indem sie Frauen stärken, Gesundheit schützen und Familien Perspektiven ermöglichen – zudem verringern sie den CO2-­Ausstoß und schützen so das Klima. Auch die deutsche Caritas ist Gesellschafter bei der Klima-­Kollekte, die im Jahr 2011 gegründet wurde. 

Zwei Zimmer heizen sie im Winter mit einem gusseisernen Ofen, für den sie Holz oder Kuhdung-­Briketts kaufen müssen.
Zwei Zimmer heizen sie im Winter mit einem gusseisernen Ofen, für den sie Holz oder Kuhdung-­Briketts kaufen müssen.

„Unsere Projekte in Armenien müssen nicht nur zum Klimaschutz, sondern auch zu den 17 UN-­Nachhaltigkeitszielen beitragen“, sagt Martin Thal­hammer, Länderreferent bei Caritas international. Sie haben damit zusätzlich positive ökologische, soziale und wirtschaftliche Auswirkungen in den Projektländern. „Ein energieeffizienter Herd trägt beispielsweise zusätzlich zu einer Reduzierung von Atembeschwerden bei, da er weniger Rauch entwickelt als eine herkömmliche Kochstelle.“ Und die Solarthermie-­Anlagen in der armenischen Provinz ­Shirak verringern nicht nur den Verbrauch von Biomasse, sondern senken auch das Verletzungs- und Verbrühungsrisiko im Haushalt. „Solche Projekte erfüllen das höchste Maß an ökologischer Integrität und beinhalten gleichzeitig wichtige soziale Faktoren“, so Thal­hammer. 

Markus Lahrmann

Info
Der südliche Kaukasus ist eine der ältesten Regionen mit einer christlichen Bevölkerung. Bis 1991 Teil der Sowjetunion, befindet sich das heutige Armenien auf einem mühsamen Weg in die Zukunft. Traditionell ist Russland die Schutzmacht, denn die Beziehungen zur Türkei im Westen sind belastet wegen des Genozids des osmanischen Reiches, bei dem Anfang letzten Jahrhunderts vermutlich mehr als 1,5 Millionen Armenier umkamen. Die Türkei leugnet den Völkermord bis heute.

Mit dem östlichen Nachbarn Aserbaidschan hat Armenien seit den Neunzigerjahren mehrere Kriege geführt, es geht um die Region Berg­karabach, die zwar seit Jahrhunderten von Armeniern bewohnt wird, völkerrechtlich jedoch zu Aserbaidschan gehört. Armeniens traditionell enge Wirtschafts- und Energie­beziehungen mit Russland haben zu einer großen einseitigen Abhängigkeit geführt, aus der sich das Land vorsichtig lösen möchte. 

Im Schatten des Ukraine-­Krieges scheint Aserbaidschan die Situation auszunutzen und hat den Latschin-­Korridor blockiert, die einzige Verbindungsstraße von Armenien nach Berg­karabach. Dort leben aktuell noch 120 000 Menschen, die nicht mehr mit Lebensmitteln, Energie und Medikamenten versorgt werden können. Die Situation dort spitzt sich zu, es droht eine humanitäre Katastrophe, ethnische Säuberungen, ein Genozid. Die Europäische Union hat ihr Engagement erhöht, versucht zu vermitteln und hat eine Beobachter-­Mission entsandt. 

Caritas international unterstützt die Caritas Armenien auch bei der Hilfe für Kriegsflüchtlinge aus Berg­karabach, die alles verloren haben. Die armenische Caritas-­Mitarbeiterin Lusine Stepanyan, die täglich mit Flüchtlingen aus Berg­karabach zu tun hat, appelliert an die deutschen Katholiken:

„Papst Franziskus hat betont, dass er an alle Seiten in dem Konflikt appelliert, eine friedliche Lösung zu finden für das Problem Latschin-­Korridor. Meine Botschaft ist: Richten Sie Ihre Aufmerksamkeit auf Armenien. Wir sind weit weg von den westeuropäischen Ländern. Aber wir fühlen uns als Europa. Wir brauchen eure Unterstützung aus der ganzen Welt. Wir brauchen eure Unterstützung, um Gerechtigkeit in dieser Region zu etablieren.“

Schauen Sie doch mal in die aktuelle DOM-Ausgabe rein. Dort finden Sie eine Vielzahl an Berichten zur katholischen Kirche im Erzbistum Paderborn, deutschlandweit und auch weltweit. Es lohnt sich bestimmt.

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