Wozu sind Sie da, Herr Berting?
Aufgezeichnet und fotografiert von Claudia Auffenberg
Wozu sind Sie da, Herr Berting?
Das ist eine ziemlich große Frage, aber als Christ bin ich davon überzeugt, dass jeder Mensch eine Aufgabe hat. Es ist wichtig, sie für sich zu finden. Damit verbringt man einen Teil seines Lebens, das gilt besonders für junge Leute, die sich ja erst mal ausprobieren müssen.
Für die europäische Friedensidee
Für mich kann ich sagen: Ich möchte meinen Beitrag zur deutsch-französischen Freundschaft leisten und deshalb engagiere ich mich im Vorstand des Franz-Stock-Komitees. Mir macht es viel Freude, Kontakt zu Leuten aus Europa und der ganzen Welt zu halten, mit ihnen über ihre Kultur und ihre Erfahrungen zu sprechen. Aus diesem Grund liegt es mir am Herzen, mithilfe des Franz-Stock-Komitees den Austausch von jungen Menschen zu fördern, um sie von der europäischen Friedensidee zu begeistern.
Deutsche und Franzosen – es gibt immer noch Klieschees
Denn es ist erstaunlich, welche Klischees die einen auch heute immer noch über die anderen haben. In Deutschland glauben noch viele, dass die Franzosen keine Fremdsprache können und nur französisch sprechen. Das stimmt aber nicht. Ich selbst kann leider kein Französisch, aber ich hatte deswegen in Frankreich noch nie Verständigungsprobleme. Ich unterhalte mich auf Englisch oder auf Deutsch, das können viele Franzosen. Diese Klischees können nur durch gegenseitige Begegnungen und Kontakte ausgeräumt werden.
Die Zeit, in der Franz Stock gelebt und gewirkt hat, ist sehr weit weg von meinem Leben. Aber wenn ich jetzt die Bilder aus der Ukraine sehe, dann ist alles gar nicht mehr so weit entfernt. Und dann wird mir doch deutlich, wie wichtig Versöhnung zwischen den Völkern ist. Auch deswegen engagiere ich mich im Franz-Stock-Komitee. Wir haben ja viele ältere Mitglieder, die noch Erinnerungen an den Krieg haben. Die fehlen mir natürlich, dennoch möchte ich mich dafür einsetzen, aus der Geschichte zu lernen.
Orte des Grauens
Wir bieten Jugendlichen Fahrten nach Frankreich an und besuchen auch in Paris die einstige Erschießungsstätte auf dem Mont Valérien. Dort wurden die französischen Widerstandskämpfer hingerichtet. Wenn man dort steht, an diesem Ort, den man vorher nur von historischen Bildern kennt, dann kann man das Grauen, das dort geschehen ist, zumindest annähernd erahnen. Solche Erlebnisse zeigen mir, wie wichtig es ist, alles dafür zu tun, dass so etwas nie wieder geschieht. Dazu muss man wirklich kein Held sein, das bin ich auch nicht. Ich habe auch mal schlechte Tage und bin auch nicht rund um die Uhr ein guter Mensch, aber Franz Stock animiert mich dazu, es wenigstens zu versuchen und Menschen durch kleine Gesten eine Freude zu machen.
Der „Erzengel in der Hölle“
Menschlichkeit und ein unglaubliches Mitgefühl haben Franz Stock ausgezeichnet. Er hat viel auf zwischenmenschlicher Ebene gewirkt, er hat mit den Kriegsgefangenen gesprochen, hat letzte Wünsche erfüllt und Grüße an die Familien überbracht. Er war in dieser furchtbaren Situation als Mensch für die Gefangenen da und deswegen erinnert man sich bis heute in Frankreich an ihn als den „Erzengel in der Hölle“. Für den Frieden braucht es also nicht nur große Worte oder große Gesten, jede und jeder kann in seinem Alltag etwas dazu beitragen.
Zur Person
Lukas Berting (27) stammt aus Arnsberg. Dort ist er dem Namen Franz Stock (1904–1948) schon früh begegnet, ohne genau zu wissen, wer das eigentlich war. 2014 reiste er für das Franz-Stock-Komitee nach Bayeux zu den Gedenkfeiern des 70. Jahrestages des D-Day. Der dortige Bischof ließ eine Friedensglocke gießen, für die Berting die deutsche Patenschaft übernahm.