31.05.2019

Aufruf zur Demut

Foto: Tim Reckmann

„Im Bewusstsein seiner Verantwortung vor Gott und den Menschen …“: Mit diesen eindrucksvollen Worten beginnt die Präambel des Grundgesetzes.

von Claudia Auffenberg

In den letzten 70 Jahren ist über diese Formulierung immer wieder gestritten worden: Gehört sich so ein Gottesbezug in der Verfassung eines säkularen Staates? Welcher Gott ist gemeint? Werden Atheisten damit nicht eingeschränkt? Das werden sie natürlich nicht, denn die Präambel ruft Gott ja nicht an, das Grundgesetz wird auch nicht im Namen Gottes erlassen, sondern die Formulierung erinnert lediglich daran, dass es eine Instanz „darüber“ gibt. So gesehen müsste auch der Atheist ein Interesse daran haben, dass die, die ihn regieren, sich nicht für allmächtig halten.

Im Grunde ist die Formulierung ein Aufruf zur Demut. Im Grundgesetz gilt er zunächst denen, die im Staate Verantwortung tragen und denen allzu gern skrupelloser Machtwille unterstellt wird. Wie gerade in Österreich zu erleben ist, gibt es solche Politiker, aber wie man eben auch sehen kann, kommen sie nicht wirklich weit damit. Hochmut kommt vor dem Fall. Dies gilt für alle, die oben sind, die sogenannten Eliten einer Gesellschaft: Politiker, Wirtschaftsbosse, Showgrößen, Fußballer, Bischöfe, Journalisten etc. Sie alle sind zur Demut aufgerufen. Doch auch die „unten“, also sagen wir: das Volk, die Wähler, die Fans, tragen Verantwortung. Denn es ist oft der blinde Jubel, das gläubige Nachlaufen, was Menschen in die Selbstüberschätzung treibt.

In der Apostelgeschichte gibt es eine interessante Erzählung. Paulus und Barnabas heilen einen Gelähmten, daraufhin halten die Leute sie für Götter und fangen an, ihnen Opfer zu bringen. Paulus hat alle Mühe, das Volk davon abzubringen. „Was macht ihr? Auch wir sind nur schwache Menschen wie ihr!“, ruft er.

Dies zu erkennen und trotzdem angstfrei zu leben, fällt wohl leichter, wenn man an einen Gott glaubt, der ein Gott der Liebe und der Zuwendung ist.

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