Aus Verlierern Gewinner machen
Dr. Maria Flachsbarth appellierte: „Wir alle haben Gaben und Charismen. Die machen lebendige Kirche aus.“
Bestwig. „Hallo Kirche, lebst Du noch?“ – so lautete die Frage des diesjährigen Missionarischen Forums im Bergkloster Bestwig. Die Vorsitzende des Katholischen Deutschen Frauenbundes (KDFB) und Bundestagsabgeordnete Dr. Maria Flachsbarth, die als Hauptreferentin geladen war, stellte klar: „Kirche muss authentisch sein. Junge Men-schen sind verstört, wenn sie das Bodenpersonal der Kirche erleben. Sie leben ihre Spiritualität woanders, wenn wir sie nicht erreichen.“
Dass das gelingen kann, erfährt sie in ihrem Verband mit 200 000 Mitgliedern. Der setzt sich beispielsweise für eine sichere, separate Unterbringung von Flüchtlingsfrauen in den Sammelunterkünften ein. Gleichzeitig beschäftigt er sich mit theologischen Fragestellungen – und engagiert sich für mehr Rechte von Frauen in der Kirche: „Viele Ämter, die bisher nur von Priestern wahrgenommen werden, sind nicht an eine Weihe gebunden.“ An der Basis seien es ohnehin vor allem Frauen, die die Kirche tragen, so Maria Flachsbarth: „Viele Menschen, die in irgendeiner Weise diakonische Hilfe erfahren, blicken in ein weibliches Gesicht.“
Beispiele für eine lebendige Kirche lieferten auch Schwester Margareta Kühn aus der „Manege“ in Berlin-Marzahn und Ludwig Klens vom ehrenamtlichen Integrationskreis „Flüchtlinge in der Gemeinde Eslohe“.
In der Manege, dem gemeinsamen Zentrum der Schwestern der heiligen Maria Magdalena Postel und der Salesianer Don Boscos, betreut Schwester Margareta Kühn mit einem 50-köpfigen Team jährlich über 300 Jugendliche, von denen die Jobcenter sagen, sie seien integrationsfern, nicht erreichbar. „Wenn sie diesen Stempel haben, kommen sie zu uns. Und wir erreichen sie“, sagt die Geschäftsführerin der Einrichtung selbstbewusst – „denn wir versuchen, ihnen ihre Würde zurückzugeben. Kirche lebt immer da, wo sie es schafft, den Status eines Menschen zu heben.“
Es gebe viele Menschen, die sich als Verlierer empfinden: „Das sind die, die Steine schmeißen. Unsere Jugendlichen aber kommen friedlich mit den 900 Flüchtlingen und den 700 Obdachlosen in zwei Unterkünften unserer unmittelbaren Nachbarschaft aus. Sie entwickeln keinen Neid, sondern Solidarität.“
Neid und Hass zu vermeiden, sei auch eine wichtige Aufgabe des Integrationskreises in Eslohe, weiß Ludwig Klens. Er hat sogar schon anonyme Drohbriefe erhalten, spürt aber dennoch einen großen Rückhalt in der Bevölkerung: „Denn das Mindeste, was wir als Christen tun können, ist Flüchtlingen ein Refugium anzubieten. Ob daraus eine Heimat wird, ist eine andere Frage.“
75 Mitglieder engagieren sich in dem Integrationskreis mit konkreter Hilfe. Das sei eine erstaunliche Zahl, freut sich Ludwig Klens. Sie begleiten die Flüchtlinge zu Ärzten oder Behörden, vermitteln Möbel oder Elektrogeräte, geben Deutschunterricht. „Dabei ist es uns gleich, welche Bleiberechts-Perspektiven diese Menschen haben.“ Oft habe er darüber nachgedacht, wie ein Syrer seine Frau und seine Kinder in der Heimat zurücklassen kann: „Aber der Krieg ist grausam. Und er glaubt, dass er seine Familie innerhalb von vier Wochen nachholen kann. Deshalb würde ich selbst wahrscheinlich genauso handeln.“
Ludwig Klens rät allerdings, die Situation anderer arbeitsloser und armer Menschen nicht aus dem Blick zu verlieren: „In Eslohe fragen sich die Hartz-IV-Empfänger viel-leicht: Ihr habt jetzt drei neue Heime für Flüchtlinge gebaut – was tut ihr für uns?“
Schwester Margareta Kühn sieht darin eine Hauptaufgabe ihrer Einrichtung: „Wir wollen aus Verlierern Gewinner machen. Das ist Kirche.“ Dabei sei sie froh, dass der neue Berliner Bischof Dr. Heiner Koch Orte wie die Manege als pastorale Orte neben den Kirchengemeinden sieht. Denn: „Kirche muss lernen, Menschen nicht nur da abzuholen, wo sie sind. Sondern zu ihnen zu gehen und bei ihnen zu bleiben.“
Dr. Maria Flachsbarth betonte angesichts dieser Beispiele: „Jeder kann seine Gaben und Charismen einbringen. Es liegt an uns allen, Kirche lebendig zu gestalten.“