10.06.2016

Bedrückend und beeindruckend zugleich

Horst Göckler, Leiter der ­Notunterkunft in Hamm-­Heessen, führt Dr. Thomas Witt bei ei­nem Rundgang durch die „Alfred-Fischer-­Halle“. Fotos: pdp

Paderborn/Hamm (pdp). „Eine bedrückende Atmosphäre, wenn man die Schicksale der geflüchteten Menschen sieht. Zugleich ist es aber auch beeindruckend, was hier von Menschen geleistet wird, die helfen wollen. Vieles ist gut eingespielt. Auch das Ehrenamt leistet hier großartige Arbeit“, fasst Dr. Thomas Witt nach dem Besuch der Notunterkunft „Alfred-­Fischer-Halle“ in Hamm seine Eindrücke zusammen.

Das ehemalige Gebäude der Zeche „Sachsen“ im Ortsteil Heessen wurde vor Jahren zur Veranstaltungshalle umgebaut – eine traditionsreiche Indus­triehalle, die gern mit der Bezeichnung „Kathedrale der Industriekultur“ geschmückt wird. Rustikal und voller Geschichte prägt die Halle das Ortsbild. 3 000 Quadratmeter Fläche bieten im Alltag Platz für Messen, Konzert- oder Sportveranstaltungen, Präsentationen oder einfach nur Feiern – ohne die ehemalige Bestimmung einer Zeche verheimlichen zu wollen.

Doch der Spaßfaktor ruht derzeit. Das Industriedenkmal, das über Jahrzehnte eine Region geprägt und den Menschen Arbeit gegeben hat, gibt nun Menschen in Not eine vorübergehende Heimat. Die „Alfred-Fischer-Halle“ gehört zu den zehn Einrichtungen im Erzbistum Paderborn, die – vom Malteser Hilfsdienst betreut – als Notunterkunft für Flüchtlinge verschiedener Nationalitäten dienen.

Nachdenklich blickt Witt nach seinem Besuch auf die ehemalige Zeche. Der Domkapitular, der auch Vorsitzender des DiözesanCaritasverbandes ist, wurde im Januar dieses Jahres zum Sonderbeauftragten des Erzbischofs für Flüchtlingsfragen im Erzbistum Paderborn ernannt. Gemeinsam mit Hezni Barjosef, Koordinator des Erzbistums für Flüchtlingsarbeit in Kirchengemeinden, Verbänden und Einrichtungen vor Ort, sowie Andreas Bierod, Diözesangeschäftsführer der Malteser, hat er sich ein Bild gemacht. Ein Bild, das geprägt ist aus den Stunden des Besuchs mit Kontakt zu den Flüchtlingen und Helfern sowie den Eindrücken einer Industriestätte, die auch ein Denkmal sein könnte.

„Es ist geleistet worden, was zu leisten ist. Ich bin auf Mitarbeiter getroffen, die mit Freude ihre Arbeit hier ausüben, mit realistischem Blick und wenig romantisierend. Es sind motivierte Helfer, die für andere Menschen ein Herz haben“, ist Witt von der richtigen Hilfe für die Flüchtlinge überzeugt. Man könne sich auf die Verbände verlassen, die schon eine gute Struktur haben: „Ich habe viel Erfahrung bei der Bewältigung der Aufgaben gespürt. Mein Rundgang hat mir gezeigt, dass hier sehr systematisch gearbeitet wird.“

Die Notunterkunft in Hamm-Heessen würde 550 Menschen Platz bieten. In letzter Zeit sind die Zahlen aber durch die Schließung der „Balkan-Route“ deutlich zurückgegangen. So lag die Auslastung zum Zeitpunkt des Besuchs bei nur rund 60 Prozent. „Hier ist keine Stelle der Erstaufnahme, aber auch keine zentrale Unterbringung, vielmehr ein Zwischenstand, um eine Obdachlosigkeit zu vermeiden“, erläutert Andreas ­Bierod vom Maltester Hilfsdienst, dessen Verband die Einrichtung seit dem Bestehen im Dezember 2015 betreut und koordiniert.

Wenngleich die Halle noch die Perspektive von Weite und Raum optisch vermittelt, so würde es bei voller Auslastung in der großen Halle doch sehr eng. „Lebensinseln“ für Einzelpersonen oder Familien sind nur durch Vorhänge getrennt, Schlafplätze beinah offene Räume. Beim Besuch der großen Halle wird deutlich, dass die Enge für die Menschen zur Belastung werden kann und sich der Druck in der Gemeinschaft erhöht. Horst Göckler, Leiter der Einrichtung und seit 26 Jahren Malteser, weiß um diese Problematik.

Beim Flüchtlings-Schiff in Dortmund, in dem der dortige Caritas-Verband eine Flüchtlingseinrichtung unterhält, gäbe es kleine Kabinen mit Nasszellen, die eine gewisse Privatsphäre zulassen. Hier in Heessen sei es eben anders, aber sein Team sei auf diese Umstände gut vorbereitet.

Das richtige Fingerspitzengefühl im Umgang miteinander mache den Alltag aus. Dazu gehöre auch, dass man sich bewusst sei, was die Flüchtlinge bewege. Andreas Bierod: „Hier sind Menschen, die Träume für ein Leben haben und auch aus guten Verhältnissen kommen, jetzt aber ­ohne sichere Perspektive leben. Viele leiden auch an Trau­mata.“

Das Wissen darüber sei Grundlage für das Miteinander, wenngleich hauptamtliche und ehrenamtliche Helfer genau dahingehend geschult seien. Etwa 40 Helferinnen und Helfer wechseln sich an sieben Tagen im 24-Stunden-­Dienst ab. Essensausgabe, Reinigung und Sicherheitsdienst sind an Subunternehmen vergeben.

„Ausreichende Beschäftigung ist wichtig. Langeweile erzeugt oft große Probleme im Zusammenleben“, freut sich Dr. Witt über die zahlreichen Angebote in der „Alfred-Fischer-­Halle“. Sportliche Aktivitäten, Sprachunterricht, Spielangebote für Kinder und soziale Betreuung gehören zu den Tagesabläufen. Eine Kleiderkammer mit guter Auswahl und der Waschraum zählen zu den Besonderheiten vor Ort.

„Die Halle ist zudem mit einem Hotspot ausgestattet, denn das Internet ist meist der einzige Kontakt in die Heimat“, erläutert Horst Göckler und verschweigt das einzige größere Problem nicht: Einen Dusch-Container zu bekommen, sei schwierig, deshalb könnten die Flüchtlinge die Duschen im Freibad benutzen. Mit dem Start der Freibadsaison werde es jedoch auch hier schwierig, dankenswerterweise habe nun der Tennisclub seine Duschen zur Verfügung gestellt.

Dankbar ist der Flüchtlingsbeauftragte für das Engagement der Ehrenamtlichen: „Es ist eine neue Erfahrung, dass Menschen kommen und helfen wollen. Der Flüchtlingsfonds, den das Erzbistum eingerichtet hat, ist dabei ein guter Motor, um günstige Rahmenbedingungen zu setzen und die Schwelle der Finanzierung niedrig zu halten.“ Um die Arbeit der Ehrenamtlichen zu fördern, sei durch den Diözesan-Caritasverband die Stelle eines hauptamtlichen Ehrenamts-Koordinators in den Ortcaritasverbänden finanziell ermöglicht worden. Es sei – so zeige es sich schon an vielen Stellen – eine gute und lohnende Investition, um einen Rahmen für die Zusammenarbeit von Ehren- und Haupt­amtlichen zu schaffen.

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