21.10.2016

Bei Gott zählt nur die Liebe

Von Gott werden wir Menschen nicht in Schubladen gesteckt, sondern gesehen, wie wir wirklich sind. Foto: meisterleise/photocase

Eugen Roth, der Verfasser manch hintergründiger Texte, schreibt zum heutigen Tages­evangelium die folgenden Zeilen: „Ein Mensch betrachtete einst näher / die Fabel von dem Pharisäer, / der Gott gedankt voll Heuchelei /dafür, dass er kein Zöllner sei. / Gottlob! Rief er mit eitlem Sinn, / dass ich kein Pharisäer bin.“

Damit bringt er die Sache auf den Punkt. Mich hat er mit dem letzten Satz jedenfalls richtig ertappt: „Gottlob, dass ich kein Pharisäer bin“.

Wie oft ergeht es uns Menschen so, dass wir andere in Schubladen stecken, den Pharisäer und den Zöllner, den Sünder und den Frommen, den Guten und den Bösen, den Armen und den Reichen und so weiter und so fort. So wie halt der Pharisäer betet: „Gott, ich danke dir, dass ich nicht wie die anderen Menschen bin, die Räuber, die Betrüger, die Ehebrecher oder auch wie dieser Zöllner dort.“

Wir verbinden mit dem Wort Pharisäer Begriffe wie Heuchelei und Lüge. Dabei waren die Pharisäer zurzeit Jesu angesehene Leute. Sie waren bestrebt, das Gebot Gottes in seiner Gänze und möglichst buchstabengetreu zu erfüllen. Deshalb fasteten sie zweimal in der Woche statt einmal, wie es im Gesetz steht. Sie spendeten den zehnten Teil ihres Einkommens dem Tempel. Grundsätzlich ist ein solches Tun nicht verwerflich ,sondern eher vorbildlich. Denn wer kann von sich schon sagen, dass er den zehnten Teil seines Einkommens für andere gibt.

Dieser Pharisäer in Jesu Gleichnis geht dann jedoch in den Tempel und stellt sich vorn hin, rechnet Gott all seine guten Taten vor, und bedankt sich noch dafür, dass er nicht so ist wie die anderen. Hier schließt er sich selbst aus der Gemeinschaft aus. Er ist etwas Besseres. Er ist der festen Meinung, dass er sich mit seiner Leistung die Anerkennung Gottes verdient hat, und ihm ist in diesem Augenblick völlig egal, wie Gott das sieht, denn er fühlt sich im Recht.

Durch das Gebet des Zöllners, der wirklich einiges auf dem Kerbholz hat und dies auch weiß, zeigt Jesus, dass es Gott nicht um unsere Leistung geht, nicht darum, was wir an guten Werken alles aufzuzählen haben. Jesus zeigt uns deutlich, was der Apostel Paulus in seinem 1. Brief an die Korinther 4,7 schreibt: „Wer räumt dir einen Vorrang ein? Und was hast du, das du nicht empfangen hättest?“ Der Zöllner betet: Gott sei mir Sünder gnädig. Er weiß, dass er Gott nichts an guten Taten vorzuweisen hat. Er ist sich bewusst, dass vieles in seinem Leben nicht im Sinne Gottes ist. Aber er hat den Mut, dazu zu stehen, sich vor Gott hinzustellen und zu sagen: Ich bin mir bewusst, dass vieles in meinem Leben schief gelaufen ist, dass ich mich weit von deinen Geboten entfernt habe, aber ich stehe hier, weil ich auf deine Liebe vertraue. Nicht ich kann mir das Recht zusprechen. Dafür bin ich auf dich angewiesen. Und weil er auf Gottes Liebe und Barmherzigkeit vertraut, kann er, aufgerichtet durch Gott, als Gerechter nach Hause gehen.

Die frohe und daher wirklich froh machende Botschaft dieses Evangeliums heißt für mich deshalb: Gott liebt auch mich ohne jeden Vorbehalt. Es gibt keine lange Liste von irgendwelchen guten Werken, die mich vor ihm gerecht machen können. Gott will mich so sehen, wie ich bin, nicht wie ich mich gern selber sehe. Er beurteilt mich auch nicht danach, ob ein anderer vielleicht mehr gute Werke vollbringt als ich. Deshalb muss ich ihm gegenüber auch nicht betonen, welche Vorzüge ich habe im Vergleich mit anderen. Gott wartet einzig darauf, dass ich vor ihm dazu stehe, wie ich wirklich bin mit allen Ecken und Kanten und wie der Zöllner sage: Ich braue Dich in deiner Liebe, weil ich allein nicht zurechtkommen kann. Der hl. Vincenz hat das begriffen wenn er sagt: „Gottes innerstes Geheimnis ist Erbarmen.“

von Katharina Mock

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