„Besser sind alle zusammen“
Eine Weltkugel rollten die Teilnehmer der ökumenischen Pilgerfahrt durch die Audienzhalle im Vatikan. Foto: KNA
Rom (KNA). Protestanten treffen auf den Papst – und es gibt Applaus und Begeisterung. Das hätte sich Martin Luther, der vor fast 500 Jahren die Reformation auslöste, wohl kaum träumen lassen. Doch vergangene Woche ist genau das passiert.
von Stefanie Stahlhofen
Papst Franziskus empfing die gut 1 000 Teilnehmer einer ökumenischen Pilgergruppe aus Deutschland in der Audienzhalle des Vatikan – Protestanten, Katholiken sowie auch einige Angehörige anderer Religionen und Nichtgläubige. Sie alle sind durch die ökumenische Pilgerfahrt unter dem Titel „Mit Luther zum Papst“ anlässlich des Reformationsgedenkens 2017 in den Vatikan gekommen.
Die 15-jährige Henriette Tekaath aus dem Bistum Magdeburg ist aufgeregt, denn die junge Katholikin trägt die erste der fünf Fragen an den Papst vor. Mit dem blauen Tuch der Pilgertruppe um den Hals tritt sie nach vorne. „Lieber Papst Franziskus“ beginnt sie ihre Frage und beschreibt, woher sie kommt: aus Sachsen-Anhalt, wo etwa 80 Prozent der Einwohner konfessionslos sind, knapp 14 Prozent evangelisch und 3,5 Prozent katholisch. Die meisten ihrer Freunde seien also nicht katholisch, erzählt sie dem Papst und fragt ihn: „Muss ich andere von meinem Glauben überzeugen oder reicht es, dass sie mir gute Freunde sind?“
Franziskus hört interessiert zu, macht sich Notizen zu den auf Deutsch gestellten Fragen, die er dann beantwortet. Es klingt, als würde er direkt zu Henriette sprechen, als er auf Italienisch sagt: „Hör zu, die letzte Sache, die du machen sollst, ist etwas zu sagen.“ Gezielte Abwerbung sei „das größte Gift gegen die Ökumene“. Es gehe vielmehr darum, den Glauben im eigenen Leben auszudrücken, fasst ein Übersetzer die Worte des Papstes zusammen. Glaubenszeugnisse im Alltag könnten mithilfe des Heiligen Geistes die „Herzen der anderen bewegen“, so Franziskus.
Johanna aus Halle an der Saale schildert dem Papst den Umgang mit Flüchtlingen: „In unserer Region gibt es viele Menschen, die das christliche Abendland verteidigen möchten und sich dabei gegen Flüchtlinge und andere Religionen wenden.“ Johanna möchte von Franziskus wissen, was das Christentum zum Schutz von Flüchtlingen und zum Frieden in der Welt beitragen kann. Für diese Frage gibt es lauten Applaus im Saal, genauso wie für Franziskus’ Antwort: Es sei ein „Widerspruch, wenn man das Christentum im Westen verteidigen will, aber gegen Flüchtlinge und andere Religionen ist“. Man könne kein Christ sein „ohne als Christ zu leben“. Eine solche Heuchelei sei die Krankheit und Sünde, die Jesus am meisten verurteile.
Zum Reformationsgedenken sagt Franziskus, es gehe um ein gemeinsames Zeugnis des Glaubens „gegenüber der heutigen Welt, die so nach Gott und nach seiner Barmherzigkeit hungert“. Als Beispiele nennt er die Hilfe für Arme, Kranke und Flüchtlinge. „Indem wir uns den am meisten Bedürftigen zur Verfügung stellen, erleben wir, dass wir schon eins sind: Es ist die Barmherzigkeit Gottes, die uns eint.“
Die mitteldeutsche Landesbischöfin Ilse Junkermann bezeichnete die Audienz als „sehr erfüllend“; der Kirchenpräsident der Evangelischen Landeskirche Anhalts, Joachim Liebig, sagte, es sei „ganz wunderbar“ gewesen und schön, den Papst zu hören und ihm auch einige Fragen stellen zu können. Der katholische Magdeburger Bischof Gerhard Feige sprach von einem „sehr schönen Erlebnis“, auch wenn mancher vielleicht etwas enttäuscht sei, dass der Papst nicht auf alle Fragen eingegangen sei.
Denn die Antwort auf die letzte der insgesamt fünf Fragen blieb der Papst schuldig: die nach einem gemeinsamen Abendmahl. Der Papst zog es vor, selbst eine Frage zu stellen: „Wer ist besser, Katholiken oder Protestanten?“ Mit seiner Antwort, die er selbst auf Deutsch gab, sorgte er für viel Applaus und Gelächter: „Besser sind alle zusammen.“