Bitte noch einmal!
Lebt von der Wiederholung: das Rosenkranzgebet. Foto: dpa
Zum Sommer gehören die Wiederholungen im Fernsehen. Der sportbegeisterte Teil der Nation hat in diesem Jahr Glück, der Rest, vor allem der Tatort-Guckende, steht gerade sonntagabends irgendwie mit leeren Händen da. Meine Güte, ist das langweilig, wofür zahlt man eigentlich Gebühren, so mäkelte die einschlägige Presse – und wiederholte sich damit auch.
von Claudia Auffenberg
Im Fernsehen sind Wiederholungen womöglich langweilig, im Alltag sind sie lebenserhaltend. Wir alle machen jeden Morgen das Gleiche, in der gleichen Reihenfolge, zur gleichen Uhrzeit und wehe, es muss mal anders sein oder es kommt anders. Wer morgens verschläft, kann Mühe haben, den anschließenden Tag geordnet über die Bühne zu bringen. Ohne Wiederholungen wäre das Leben nicht zu bewältigen, niemand könnte schreiben und lesen. Nur im Schutz der Wiederholung kann man überhaupt Neues verkraften.
Wiederholung ist übrigens nicht gleich Wiederholung. Das Lexikon kennt unter anderem die Iteration, die Periodizität oder die Repetition. Beim Basteln gibt es manchmal die Anweisung, ein Blatt in der Mitte zu falten und dann noch mal und noch mal. Der Vorgang ist derselbe, aber das zu faltende Objekt ändert sich. Das nennt man Iteration; die Repetition ist eine Lernmethode, bei der der zu lernende Stoff stets wiederholt wird. So werden im Gehirn die Verbindungen zwischen den Neuronen, die Synapsen, geknüpft und gefestigt und man kann sich Dinge leichter merken: „Repetitio est mater studiorum“, die Wiederholung ist die Mutter der Studien.
Alle Arten von Wiederholungen – bis auf die des Tatorts – wollen helfen, einem Ziel näher zu kommen. Das Ziel eines religiösen Menschen ist Gott, und auch ihm kann man sich durch Wiederholung nähern. Rosenkranzbeter wissen Bescheid! Eine gerade wiederentdeckte geistliche Form der Wiederholung ist die Ruminatio. Das Wort bedeutet wörtlich übersetzt „Wiederkäuen“ und beschreibt anschaulich, worum es geht: Man wiederholt, vor sich hinmurmelnd, einen Satz der Bibel. Was passiert? Das, was bei Wiederkäuern auch passiert: Die Sache wird verdaulich.
Die Eremitin Maria Anna Leenen schreibt in ihrem Buch „Von Ziegen lernen heißt Leben lernen“: Die Ruminatio war eine vielfach über lange Jahre praktizierte Gebetsform der ersten Einsiedlerinnen und Einsiedler. Sie lasen dabei halblaut in der Heiligen Schrift, suchten ein Wort oder einen Satz aus, der sie besonders angesprochen hatte, und murmelten ihn immer wieder leise vor sich hin. Im Atemrhythmus gesprochen, beständig, ruhig und sehr aufmerksam, lernten sie so nicht nur viele Abschnitte der Bibel auswendig. Daraus erwuchs eine große Vertrautheit mit der Heiligen Schrift, die auch eine Zeit der inneren Trockenheit überstehen half. Dieser Umgang mit dem Wort Gottes ließ aber auch die kostbare geistliche Nahrung tief ins Herz und in die Seele fallen wie ein belebender Frühjahrsregen auf ausgetrocknetes Winterland.“
Man könnte das mal ausprobieren, sonntagabends zum Beispiel. Da ist ja jetzt Zeit …