20.11.2015

Blick in anderer Leute Fenster

von Claudia Auffenberg

Liegt es an der Jahreszeit, an der frühen Dunkelheit, an den ganzen November-Gedenktagen, dass man insgesamt etwas dünnhä utiger ist als sonst, d ass man trotz der eigentümlichen Wärme zu frösteln glaubt? Vermutlich. Denn , wenn man abends mal durch die Straßen geht und die Blicke vom Licht in die Wohnzimmer gezogen werden, fragt man sich auf einmal: Was spielt sich dort ab? Wer wohnt dort? Welche Menschen mit welchen Träumen und zerstobenen Hoffnungen? Von welchen Sorgen würden sie einem wohl erzählen, wenn sie die Gelegenheit dazu hätten. Mit welchem Drama haben sie gerade zu kämpfen?

Manchmal hört man so lapidare Sätze, an denen doch zentnerschwere Lebenslast hängt. Zum Beispiel: „Mein Mann ist ja schon lange tot.“ Was für eine Mühsal verbirgt sich dahinter! Man kommt ins Grübeln und stellt sich vor: ein junges Eheglück, die Kinder klein, jedenfalls noch nicht selbstständig, vielleicht gerade ein Haus gekauft oder gebaut und natürlich keinen Dukatenesel im Keller. Dann kommt das Unglück: Unfall, Herzinfarkt, Krebs, was auch immer. Auf einmal ist ein Mensch ganz anders gefordert, sind alle Pläne obsulet, geht es nur noch darum, irgendwie durchzukommen, sind die Umstände mehr als widrig.

Wir reden in der Kirche gerade viel von Charismen, von Talenten, von Möglichkeiten, sich einzubringen und irgendwie geht es dabei häufig ums Organisieren eines Gemeindebetriebs. Ist auch Raum da für Menschen, die sich nicht ein bringen können, weil sie gerade mit dem Überleben beschäftigt sind? Müssten nicht gerade sie hören oder besser: am eigenen Leib erfahren, dass es auch für sie einen Halt in dieser Welt gibt? Das fragt man sich, abends im November.

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