Bratkartoffelverhältnis
Foto: Karin Jung / Pixelio
Es gibt immer wieder Todesfälle, die ein Dorf oder eine Kirchengemeinde in Schockstarre versetzen. Jemand stirbt plötzlich, einer, der eigentlich noch nicht dran war, einer, den alle kannten.
von Claudia Auffenberg
Kurz vor Libori hat sich dies in Paderborn ereignet. Der Gastwirt eines beliebten Ausflugslokals ist gestorben. Am Abend vorher hatte er noch die Gäste bedient, alles wie immer, am nächsten Morgen verbreitet sich die schockierende Nachricht seines Todes wie ein Lauffeuer. Hast du schon gehört? Das kann doch nicht wahr sein … Und es schien, als habe die halbe Stadt ihr Wohnzimmer verloren. Der bekannte Paderborner Kabarettist Erwin Grosche und bekennende Stammkunde eben jenes Wirtes schrieb: „Nun wird die Welt eine andere werden.“
„Wer nichts wird, wird Wirt“, sagte man früher etwas lästerlich, aber heute, in den Zeiten, in denen es kaum noch Dorfkneipen gibt, merkt man, wie wichtig diese Leute sind. Denn ein Wirt ist ja nicht einfach jemand, der einem ein Glas Bier hinstellt oder wie im Fall des Paderborner Wirtes: einen Teller Bratkartoffeln. Ein Wirt öffnet einem die Tür, man ist Gast bei ihm, nicht Kunde; das ist etwas ganz anderes. Ein Kunde kriegt Ware, ein Gast aber bekommt Bedeutung. Er erfährt Wertschätzung. Hier bin ich Mensch, hier darf ich’s sein.
Jesus war vermutlich von Beruf Handwerker: Zimmermann bei seinem Vater Josef. Aber war er nicht auch irgendwie Gastwirt, zumindest Gastgeber? Er redet doch andauernd vom Mahl, vom Gastmahl, ihn selbst nennen sie Fresser und Säufer. Die letzte große Geste des irdischen Jesus ist ein Mahl, bei dem er sich selbst zur Speise gibt. Und der Auferstandene brät den ahnungslosen Jüngern am See Fisch. Es ging Jesus ums gemeinsame Essen, weil es ihm um das Leben ging. Und um die Liebe und die geht ja bekanntlich durch den Magen.
Ach, in Anlehnung an den alten Schlachtruf von den Schwertern und den Pflugscharen möchte man rufen: Pfarrheime zu Wirtshäusern!