Christliche Organisationsstruktur – Tabus benennen
Informierten in Arnsberg über den Bewertungsprozess German-CIM: Hannes Groß, Direktor des Instituts für christliche Organisationsstruktur (ICO), Frank Demming, Fachbereichsleiter Bildung und Leben beim Caritasverband Arnsberg-Sundern, Dr. Thomas Stein (ICO), Christian Stockmann, Vorstandsvorsitzender des Caritasverbandes Arnsberg, und Stefan Holl, Verbundleiter Bereich Leben beim Caritasverband Arnsberg-Sundern. (Fotos: Patrick Kleibold)
Das Institut für christliche Organisationsstruktur (ICO) und der Caritasverband Arnsberg-Sundern wenden erstmalig das German-CIM, ein Instrument zur werteorientierten Kultur- und Organisationsentwicklung, in der Eingliederungshilfe an – klingt theoretisch, hat aber Auswirkungen in der Praxis.
Dortmund/Arnsberg. Eigentlich ist Anna S. nicht zu übersehen. Tag für Tag schiebt die Reinigungskraft das Wägelchen mit ihren Arbeitsutensilien über die Flure einer Pflegeeinrichtung. Sie ist freundlich, spricht auch schon mal mit Patientinnen oder Patienten. Doch übersehen wird sie immer wieder. Personal, Angehörige – nur sehr wenige grüßen sie.
Zugegeben, diese Anna S. ist frei erfunden. Doch in jeder Einrichtung arbeiten solche Menschen, die eigentlich etwas zu sagen haben, die aber niemand hört oder hören will. Das German-CIM, ein Prozess, der christliche Werte in Unternehmen stärken will, gibt ihnen eine Stimme.
Bereits in der Altenpflege angewandt
Dr. Thomas Stein, Referent beim Dortmunder Institut für Organisationsstruktur (ICO), und dessen Direktor Hannes Groß sind nach Arnsberg gekommen. Der dortige Caritasverband möchte das German-CIM in der Eingliederunsghilfe, also der Arbeit mit Menschen mit Behinderung, anwenden. In diesem Bereich gibt es anders als in der Altenpflege oder im Jugendhilfedienst noch keine Erfahrungen damit. Und auch die Menschen mit Behinderung selbst dürfen und sollen mitmachen.
Das Beispiel mit der Reinigungskraft haben Stein und Groß nicht zufällig gewählt. Denn ein wesentliches Anliegen sei es, ganz unterschiedliche Menschen für den Prozess zu gewinnen. Nach der Auftaktveranstaltung treffen im zweiten Schritt – in kleinen Gruppen von im Idealfall acht Personen – Menschen aufeinander, die sich sonst nicht treffen und analysieren ihre Einrichtung.
„Wir ermutigen Tabus zu benennen“, betont Dr. Stein. Jede Meinung dürfe offen formuliert werden. „Wie befragen die Intelligenz des Systems – das sind Sie.“ Auch wenn bei der Auftaktveranstaltung teilweise wegen Erkrankungen nur wenige Mitarbeitende anwesend waren, war sich der Referent sicher: Im Laufe des Prozesses werden es mehr. Das sei immer so gewesen.
Wenn etwa eine Reinigungskraft oder der Hausmeister mehr Anerkennung für ihre Arbeit wünschen, wird dies zum Thema. Auch hohe Fluktuation oder Personalmangel werden thematisiert –- eben als Probleme in der Einrichtung und auch, wenn sich diese Probleme nicht kurzfristig beheben lassen.
Christliche Organisationsstruktur – Solidarität mit Menschen in Not
In einem nächsten Treffen bewerten die Teilnehmenden dann ihre Einrichtung und Arbeit in einer sogenannten zweidimensionalen Matrix. Im Prinzip ist das eine Tabelle. Auf der einen Seite stehen christliche Wertvorstellungen wie „Solidarität mit Menschen in Not und Bedürftigkeit“, „Respekt vor der Würde des Menschen“, aber auch „Nachhaltiges Management“ und „Handeln als Kirche“. Bewertet werden hierbei Themen wie Grundlagen, Führung, Qualifizierung oder Wirkung.
Diese Selbsteinschätzung wertet das ICO aus, es folgt ein Abschlussbericht. Das heiße aber nicht, dass die Mitarbeiter des Dortmunder Institutes nicht noch weiterhin als Ansprechpartner zur Verfügung stehen. Denn das Ganze ist als langfristiger Prozess angelegt.
Die Zuhörerinnen und Zuhörer aus der Eingliederungshilfe waren zunächst sprachlos nach den vielen Informationen. Dabei hat Thomas Stein von vornherein betont: „Wir stellen zwar Fragen, doch das ist keine Prüfung, durch die man durchfallen kann.“ Und schnelle Antworten dürfe man auch nicht erwarten.
Die Zurückhaltung ließ etwas nach, als Pfarrer Thomas Siepe vom Pastoralen Raum Arnsberg von seinen Erfahrungen in vorherigen German-CIMs berichtete. „Zuerst habe ich gedacht: ‚Was ist das denn wieder?‘. Aber beim ersten Vorbereitungstreffen haben alle ihre Jäckchen ausgezogen.“ Es sei eine „Atmosphäre der Offenheit“ entstanden, in der jeder sagen konnte, was er oder sie auf dem Herzen hatte. Pfarrer Siepe ist sich sicher, dass dies auch im Bereich der Eingliederungshilfe so werden wird.
Ermutigung vom Caritasverband
Vertreter des Caritasverbandes Arnsberg-Sundern betonten schließlich, wie wichtig ihnen eine intensive Teilnahme sei. Gerade in Zeiten, in denen Personal knapp ist, „ist es trotzdem wichtig, sich mit den Themen auseinanderzusetzen“, betont Stefan Holl, Verbundleiter Bereich Leben beim Caritasverband Arnsberg-Sundern.
Er forderte jeden Anwesenden auf, über das German-CIM zu berichten und mögliche Interessierte anzusprechen. „Leider sind diese Treffen dann on top zu den Arbeitszeiten“, so Holl. „Beziehen sie viele Personen und Meinungen mit ein, damit ihre Themen auf den Tisch kommen“, ergänzte Frank Demming, Fachbereichsleiter Bildung und Leben beim Caritasverband Arnsberg-Sundern.
Wichtig ist Stein und Groß noch etwas anderes: Der Prozess muss Freude machen. „Wenn etwas keine Freude macht, dann machen wir etwas falsch.“
Wolfgang Maas
Info Christliche Organisationsstruktur
Die Abkürzung CIM steht für Catholic Identity Matrix. Diese wurde in den USA entwickelt und wird seit 2012 in Deutschland eingesetzt und weiterentwickelt. „Mit Hilfe der CIM kann in einer kirchlichen Organisation ein kontinuierlicher Prozess zur Gestaltung christlicher Identität und umgesetzt werden“, schreibt das Institut für christliche Organisationskultur (ICO) in Dortmund, das diese Methode anwendet. Zentral seien die Grundprinzipien und Werte der katholischen Soziallehre.
Weitere Berichte aus dem Erzbistum Paderborn finden Sie in der aktuellen DOM-Ausgabe.