„Das Amt ist immer zu reformieren“
Der Priester von morgen wird das sein, was viele von ihm heute schon erwarten: ein (geistlicher) Wegbegleiter, prognostiziert Dr.Menke-Peitzmeyer. Foto: free-photos/ pixabay
Paderborn. Zölibat und Frauenpriestertum, seit Jahrzehnten wird in der katholischen Kirche um diese Fragen gestritten und damit auch um das Amt des geweihten Priesters. Der Missbrauchsskandal, die Initiative „Maria 2.0“ und der Synodale Weg haben die Diskussionstemperatur in den vergangenen Monaten deutlich erhöht. Zwei Interviews, mit dem Pastoraltheologen Rainer Bucher und der Paderborner Synodalen Michaela Labudda, haben wir diesem Thema gewidmet. Nun war es Zeit, mit einem Menschen zu reden, der selbst Priester ist und seit acht Jahren junge Männer auf dem Weg in dieses Amt begleitet: Regens Dr. Michael Menke- Peitzmeyer.
Herr Dr. Menke- Peitzmeyer, wozu braucht die Kirche geweihte Priester?
Die Kirche braucht geweihte Priester, weil es Menschen braucht, die die Heilsgegenwart Gottes sichtbar unter uns verkörpern und diese mit dem Wort Gottes in heiligen Zeichen wie den Sakramenten zum Ausdruck bringen sollen. Damit wird deutlich: Gott ist bei den Menschen, er steht an unserer Seite.
Und das können nicht geweihte Menschen nicht?
Das können sie sicher auch auf der Basis ihrer Taufe und Firmung, als Teil des Gottesvolkes im Sinne des gemeinsamen Priestertums aller Gläubigen. Aber nach biblischer Überlieferung und katholischer Tradition braucht es zwischen Gott und dem Inneren eines Menschen eine personale Vermittlungsinstanz, eine Art von Brückenbauer. Das glauben heute viele Christen – auch in der katholischen Kirche – so nicht mehr, weil ihnen aus unterschiedlichen Gründen nicht mehr plausibel gemacht werden kann, dass es so etwas geben muss: einen von Gott berufenen und von der Kirche bestellten Amtsträger. Gewiss spielt bei diesem Verlust an Verständnis auch die Inkompetenz und Unglaubwürdigkeit einzelner Amtsträger eine Rolle. Aber deswegen darf man das Kind nicht mit dem Bade ausschütten.
Glauben das vielleicht viele auch deswegen nicht mehr, weil das Amt irgendwie wie von gestern wirkt: nur zölibatäre Männer, keine Frauen?
Das Amt als solches ist aus den eben genannten Gründen nicht von gestern! Neben der Schwierigkeit, an einen persönlichen Gott und an sein Wirken durch Menschen zu glauben, stellt die konkrete Ausübung des Amtes durch Menschen in unserer Kirche ein Problem dar. Ich möchte unterscheiden zwischen der Subs tanz des Priesteramtes und der Ausgestaltung dieses Amtes. Da ist ständig nach neuen Formen zu suchen, damit Gottes Heils angebot an die Menschen wirksam werden kann. Im Sinne des Leitsatzes „ecclesia semper reformanda“ ist auch das Amt immer wieder zu reformieren. Und da stellen sich in der Tat ganz legitime Fragen: Ist das Amt an den Mann gebunden? Oder an den Zölibat? Am wichtigsten scheint mir aber zu sein: Was können wir tun, damit das Amt wirksam und glaubwürdig ist?
Was würden Sie denn auf die Frage antworten: Ist das Amt an den Mann oder an den Zölibat gebunden?
Das sind sehr heikle Fragen, die wir theologisch zu bearbeiten haben. Die Berufung auf das Traditionsprinzip allein reicht nicht mehr aus. Und der Begriff der Geschlechtergerechtigkeit ist ernst zu nehmen. Unsere männerdominierte Kirche muss lernen, die Geschlechtergerechtigkeit nicht nur wahrzunehmen oder für den politischen und beruflichen Bereich zu re klamieren, sondern sie wirklich zu berücksichtigen bei der Ausgestaltung des Amtes in seiner ganzen Vielfalt. Ich bin mir aber ehrlich gesagt unschlüssig, wie die nächsten Schritte aussehen. Wie in anderen Zusammenhängen plädiere ich für das Prinzip „Evolution statt Revolution“. Das heißt: Ich würde das Amt theologisch weiterdenken und entwickeln, dabei aber strategisch schon im Blick haben, was das Ziel der Reise ist.
Würde die Abschaffung des Zölibats Ihnen persönlich, der ihn seit über 30 Jahren lebt, etwas ausmachen?
Ich müsste mich schon sehr daran gewöhnen. Prof. Bucher stellt ja im Interview mit Ihnen zu Recht fest, dass der Zölibat einen gewissen Nimbus hat. Das darf man nicht unterschätzen. Die Gestalt der priesterlichen Repräsentanz würde gewiss in eine neue Richtung gehen, aber undenkbar ist das nicht. Wir haben schon viele Dinge in der Kirche verändert, die man sich vorher nicht hätte vorstellen können. Hätten wir oder unsere Eltern uns vor 20 Jahren vorstellen können, dass Frauen in unseren Gemeinden einmal den Beerdigungsdienst – übrigens oft sehr kompetent und überzeugend – ausüben können?
Könnte man daraus nicht den Schluss ziehen, dass die Leute bei Änderungen dieser Art mitgehen würden?
Mitgehen müssen! Das ist ja auch alles nicht mal so eben passiert. Um ehrlich zu sein: Es war in der Regel eine Mangel- oder Notsituation, die solche Änderungen hervorgebracht hat. Aber wir wissen ja, dass man aus der Not im besten Sinne des Wortes eine Tugend machen kann.
Einfach nur Notnagel zu sein, ist aber kein freundliches Argument. Müsste es nicht eher um gleiche Würde und gleiche Rechte gehen?
Beides halte ich für wichtig. Aber ich habe ja gerade von den Tatsachen im Leben der Kirche gesprochen, und wir müssen da einfach mal ehrlich sein. Über die Geschlechtergerechtigkeit kann man viel reden, so wie man auch, um eine aktuelle Herausforderung aufzugreifen, über die Flüchtlingsfrage als solche theoretisieren kann. Aber wenn die Flüchtlinge vor unserer Haustür stehen, dann muss man handeln, und dann sind manchmal Dinge möglich, die nicht denkbar sind, wenn man darüber nur philosophiert.
Die Fakten bestimmen aktuell auch die Diskussion um die Ausbildung. Aufgrund der geringen Zahl der Priesteranwärter soll die Ausbildung in Deutschland an drei Standorten konzentriert werden. Was bedeutet das für das Priesterseminar in Paderborn?
Mit den drei Standorten sind zunächst einmal die drei Studienstandorte gemeint. Nach den Planungen der Bischofskonferenz soll es weitere Standorte für die Priesterausbildung geben, etwa für die Einführungsphase oder am anderen Ende der Ausbildung die Praxisphase, für die Paderborn in Zusammenarbeit mit Erfurt als Standort vorgesehen ist. Schon nach den jetzigen Planungen ginge also Paderborn nicht leer aus. Aber weil wir eine solide und bewährte Theologische Fakultät hier in Paderborn haben, die auch mit der Universität kooperiert, wäre es natürlich eine Zumutung, den Studienstandort Paderborn als solchen aufzugeben und mit den Priesteramtskandidaten etwa nach Münster zu ziehen.
Hängt die Existenz der Theologischen Fakultät Paderborn an der Priesterausbildung?
Im Augenblick ja, das ist vom Konkordat her und damit staatskirchenrechtlich verbindlich festgelegt. Aber es gibt Überlegungen, die das Junktim von Priesterausbildung und theologischem Standort hinterfragen. Allerdings ist es staatskirchenrechtlich nicht ganz einfach, diese Verbindung zu lösen. An der Theologischen Fakultät in Bochum, d. h. im Bistum Essen, ist es gut gelungen, neue Wege zu gehen, und das dürfte auch an anderen Standorten möglich sein. So könnten theologische Fakultäten, die keine Priesteramtskandidaten mehr ausbilden, weiterhin Bestand haben, etwa für Laientheologen mit dem Studienziel „Magister“ oder für Lehramtsanwärter.
Es gibt auch andere Vorschläge. Die Theologin Johanna Rahner etwa hat vorgeschlagen, nicht die Standorte zusammenzuziehen, sondern die verschiedenen pastoralen Berufe.
Die Stoßrichtung sehe ich ähnlich. Frau Rahner erwähnt zu Recht, dass die Berufsgruppen der pastoralen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nach Möglichkeit gemeinsam ausgebildet werden sollten. Sie sind in derselben Kirche für dieselben Menschen da, wenn auch in verschiedenen Funktionen. Das hat aber vor allem Folgen für die praktische Ausbildungsphase, nicht unbedingt für einen Universitätsstandort, zumal es um unterschiedliche Studienabschlüsse geht. Das wird weiterhin differenziert laufen müssen. Aber die pastorale Ausbildung sollte schon mehr als bislang gemeinsam durchgeführt werden, wiewohl es natürlich auch unterschiedliche Module gibt, beim Priester beispielsweise die Vorbereitung auf die Feier der Eucharistie und die Beichte.
Das ganze Interview gibt es im Dom Nr. 6
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