Das Beste geben – Interview mit Winfried Henke
Seit November vergangenen Jahres ist Winfried Henke Diözesanvorsitzender des Kolpingwerkes im Erzbistum Paderborn. Es gab gewiss leichtere Zeiten, diese Aufgabe zu übernehmen. Corona und die Vertrauenskrise der Kirche zerren auch an den Nerven der Kolpingschwestern und -brüder. Mit Winfried Henke sprachen Claudia Auffenberg und Andreas Wiedenhaus.
Herr Henke, wie geht es Ihnen im Moment als Ehrenamtlicher in dieser Kirche?
Winfried Henke: Mir geht es gut, weil ich gern in dieser Kirche bin und mich in ihr beheimatet fühle. Aber mir geht es auch schlecht. Denn wenn jemand in der eigenen Umgebung krank ist, so wie unsere Kirche gerade, dann leidet man mit. Manchmal fängt man sich selbst auch was ein, wie bei einem Magen-Darm-Infekt in der Familie.
Was haben Sie sich eingefangen?
Winfried Henke: Es tut mir weh, dass Menschen in dieser Kirche verletzt sind. Und dass Menschen nicht hätten verletzt sein müssen. Dass manche zwar um Entschuldigung bitten, aber für viele diese Entschuldigung zu spät und zu halbherzig kommt und sie sie nicht mehr annehmen können, das macht mich sehr nachdenklich.
Was antworten Sie, wenn Sie gefragt werden: Wie kannst du in „diesem Laden“ noch mitmachen?
Winfried Henke: Ich wohne in einem Mehrgenerationenhaus. Dort gelingt nicht immer alles. So ist es auch in der Kirche. Aber ich wohne in diesem Haus, ich habe mich bewusst dafür entschieden und sage jedem: Versuch, du dein Bestes zu geben, dann wird es sich verändern, auch wenn es im Moment sehr schwer ist, daran zu glauben.
Wir erleben ja gerade zwei Krisen. Fangen wir konkret bei der ersten an: Wie hat Corona das Leben des Verbandes und der Kolpingsfamilien verändert?
Winfried Henke: An einigen Stellen hat Corona bei uns Prozesse sehr beschleunigt: Die Überalterung des Verbandes wird deutlich, weil viele die Digitalisierung nicht mitgehen können, sondern sich vereinsamt fühlen und sagen, dass das alles keinen Sinn mehr habe, weil sie sich mit anderen nicht mehr treffen können. Da belastet uns Corona. Einige Kolpingsfamilien lösen sich derzeit auf. Wir versuchen, diese Prozesse gut zu begleiten. Auf der anderen Seite erzeugt die Pandemie viele Ideen, die sonst nicht oder noch nicht gekommen wären. Wir hatten zum Synodalen Weg einen digitalen Abend mit unserer Bundesebene. Daran haben nicht acht Menschen teilgenommen, sondern 40. Die An- und Abreise fiel weg, die in unserem großen Bistum doch immer mit einigem Aufwand verbunden ist. Oder: Vorstandssitzungen werden kürzer, weil auch hier die Anfahrten wegfallen.
Ist der Verband in seiner Existenz bedroht, wenn sich die älteren Mitglieder abmelden?
Winfried Henke: Nein, der Diözesanverband ist nicht bedroht, einige Kolpingsfamilien mit hohem Durchschnittsalter schon. Aber auch in den Kolpingsfamilien gibt es Menschen, die Angebote aufbauen und da für neue Entwicklungen sorgen.
Die andere Krise ist die Vertrauenskrise der Kirche. Wie betrifft sie den Verband?
Winfried Henke: Viele unserer Mitglieder sind davon sehr betroffen. Aber wir im Verband gehen seit vielen Jahren zum Thema Missbrauch einen eigenen Weg. In unseren Einrichtungen, im Kolping-Bildungswerk, haben wir Fachleute, die sich mit dem Thema auskennen. Das stärkt uns. Sie entwickeln Präventionswege und Hilfen, was im konkreten Fall zu tun ist. Sie beraten bei der Zusammenarbeit mit öffentlichen Institutionen, mit Beratungsstellen, Polizei oder Staatsanwaltschaft.
Kolping ist Teil der Kirche, die Kolpingsfamilien sind wichtige Größen in den Gemeinden. Vor Ort an der Basis ist auch vertuscht und sind Priester geschützt worden. Hat der Verband diese eigene Rolle reflektiert?
Winfried Henke: Das gab es ganz sicher auch bei uns. Viele Leute, die bei uns engagiert sind, sind auch in Gemeinden aktiv. Wir haben aber sehr schnell und sehr pragmatisch gehandelt. Dieses Pragmatische ist ein Merkmal unseres Verbandes. Ich sage gern: Wir sind die Hand am Leib der Kirche, wir sind so etwas wie die Werktätigen. Wir haben zum Beispiel für unsere Ferienfahrten und Zeltlager ein Notfalltelefon geschaffen. Bei einem Verdacht können die Verantwortlichen sofort mit Fachleuten sprechen, sodass die richtigen Maßnahmen – das sind die, die unser Staat fordert – unmittelbar ergriffen werden. Da haben wir gehandelt und das beruhigt mich als Vorsitzender dieses Verbandes sehr. Trotzdem kann natürlich niemand ausschließen, dass es irgendwo etwas gibt, von dem wir jetzt noch nichts wissen.
Als eine Ursache der Krise gilt der Klerikalismus. Für die verschiedenen Ebenen des Verbandes war und ist ein Präses immer sehr wichtig. Ist das nicht eine Art gelebter Klerikalismus?
Winfried Henke: Wir sind stolz, dass wir die Präsides haben, das ist bei Kolping so. Und wir sind stolz, dass wir mit Josef Holtkotte einen neuen Weihbischof haben, der mal unser Diözesanpräses war. Dieser Stolz darf auch sein. Gerade Josef Holtkotte hat in seiner Zeit als Diözesanpräses eingeleitet, dass das Amt der geistlichen Leitung gleichwertig neben dem Präses ist. Ich selbst bin einer dieser Menschen, die vor Jahren gesagt haben: Ich stelle mich diesem neuen Amt. Wir spüren jetzt, dass in unseren Kolpingsfamilien sogenannte Laien als eigenständig denkende und fachlich geschulte Menschen in der Seelsorge aktiv sind und der Präses ein Pendant hat. Das tut uns gut, zumal es ja auch deutlich weniger Priester gibt, die das Präsesamt übernehmen. Es kommen übrigens immer wieder junge geistliche Leitungen nach.
Könnte dieser Stolz genau das Problem sein? Worauf ist ein Verband stolz, wenn er einen Präses hat?
Winfried Henke: Wir sind stolz darauf, dass Priester ihre Aufgabe in diesem Amt sehen, dass sie es bei uns tun und sich hier beheimatet fühlen. Natürlich sind wir nicht stolz darauf, dass Priester Dinge tun, die nicht zu verantworten sind. Aber wir sind froh, dass wir beide Ämter haben: das priesterliche Amt des Präses und das Laienamt der geistlichen Leitung, die dem Priester oft hilft, eine andere Rolle einzunehmen als die, die er klassisch in Kirche hat.
[…]
Das vollständige Interview lesen Sie in der aktuellen Dom-Ausgabe.