04.11.2016

Das Buch, der Zuhörer

Das Buch, der Zuhörer

Der Herbst, wenn die Tage kürzer und die Katzen dicker werden, ist ja die ideale Jahreszeit zum Lesen. In Frankfurt war gerade Buchmesse und die Kirche begeht an diesem Sonntag den Buchsonntag.

von Claudia Auffenberg

Das hat aber weniger mit äußeren Lichtverhältnissen oder verändertem Ernährungsverhalten der Stubentiger zu tun, sondern mit Karl Borromäus, jenem Mailänder Bischof, der sich im 16. Jahrhundert in der Fürsorge für arme Studenten engagiert hat und dessen Namenstag am 4. November gefeiert wird.

Irgendetwas Faszinierendes haben Bücher, irgendetwas können sie, was das Fernsehen oder das Internet nicht können. Dort werden schließlich auch starke Geschichten erzählt.

Aber liest man ein Buch, um eine Geschichte zu lesen? Ist das Buch nicht in Wahrheit ein stiller und verständnisvoller Zuhörer, jemand, der einen einlässt, um sich selbst zu finden? Ein Buch hat einen Text, aber es textet einen nicht zu. Es erzählt eine Geschichte, und wenn es ein gutes Buch ist, dann ist das meine Geschichte – beziehungsweise Ihre!

„Geschichte“ meint jetzt nicht nur das, was man alles so im Leben schon erlebt hat, sondern auch, was man geträumt, ersehnt, erhofft hat oder noch erträumt, ersehnt, erhofft. Das alles gehört zu einem Menschen dazu und das sollte man sich nicht ausreden lassen. Bücher tun dies gerade nicht, im Gegenteil: Sie erlauben all diese Sehnsüchte und Träume, indem sie sie als Sehnsüchte und Träume von jemand anderem ausgeben, irgendeiner Haupt-oder Randperson. Wie raffiniert!

Mit der Bibel, gemeinhin das Buch der Bücher genannt, ist es genauso. Nun ist man als Katholik noch immer ein bisschen ungeübt, was den Umgang mit ihr angeht. Und es sei an dieser Stelle auch wirklich nicht behauptet, dass einem der Stoff reinläuft wie der vom Hüttenwirt oder vom Almdoktor.

Aber wenn man mal anfängt, dann kann es passieren, dass man sich in einem Satz verfängt und unruhig wird. Und dann möchte man die Katze vom Sofa jagen und hinaus ins Leben stürmen. Und dann ist es gar nicht mehr schlimm, dass es da kalt und dunkel geworden ist. Weil das, wie man soeben begriffen hat, nur vorübergehend ist.

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