Das Feld der Erinnerung
Gudrun Siemund und Klaudia Oesterdiek (von links) kümmern sich in Langenberg ehrenamtlich um das Sternenkinderfeld auf dem kommunalen Friedhof. Auf ihre Initiative wurde das Feld vor elf Jahren angelegt. Beide tragen Sorge dafür, dass die Kinder, die still geboren wurden, einen Ort der Erinnerung bekommen. Foto: Leskovsek
Langenberg. Klaudia Oesterdiek (64 Jahre) und ihre drei Jahre ältere Schwester Gudrun Siemund haben beide die schmerzliche Erfahrung machen müssen, wie es sich anfühlt, wenn das eigene Baby vor der Geburt stirbt. Seit nunmehr elf Jahren kümmern sie sich in Langenberg ehrenamtlich um einen würdevollen Platz der Erinnerung an totgeborene Babys.
von Waltraud Leskovsek
Obwohl es bei Klaudia Oesterdiek schon 43 Jahre her ist, als das Herz ihres ersten Kindes plötzlich aufgehört hat zu schlagen, ist der schreckliche Moment für sie heute immer noch nahe. Es folgten noch weitere Fehlgeburten, bevor sie dann zwei gesunde Mädchen auf die Welt brachte. Klaudia Oesterdiek und Gudrun Siemund wissen, wie wichtig es ist, gerade für diese Kinder, um die man so sehr getrauert hat, einen Ort der Erinnerung zu haben. Für sie gab es seinerzeit keine Anlaufstelle, wo sie ihre toten Kinder besuchen konnten. Babys unter 500 Gramm Gewicht wurden praktisch im Müll entsorgt. „Da redete man auch nicht drüber“, erinnern sich die Frauen noch gut. Erst seit 2003 gibt es ein Gesetz, dass auch die unter 500 Gramm wiegenden Frühgeburten bestattet werden müssen.
Nicht darüber geredet
Während eines Urlaubes auf der Insel Sylt entdeckte Klaudia Oesterdiek auf einem Friedhof ein Gräberfeld, auf dem Sternenkinder bestattet wurden. So nennt man die Babys, die vor, während oder direkt nach der Geburt sterben. Sie informierte sich, wie man so einen Ort der Erinnerung an Kinder, die nur kurz auf dieser Welt verweilten, ins Leben rufen kann. Zusammen mit ihrer Schwester führte sie viele Gespräche, bevor sie einen Antrag an den Rat der Gemeinde Langenberg stellte. Dieser stimmte dem Antrag der beiden sofort zu und stellte ihnen eine schöne Ecke auf dem kommunalen Friedhof in Langenberg zur Verfügung.
Ehrenamtlich kümmern sich Klaudia Oesterdiek und Gudrun Siemund seit nunmehr elf Jahren darum. Sie hegen und pflegen es, pflanzen Blumen und sind jeden Tag dort. Ihre tot geborenen Babys sind dort zwar nicht bestattet, aber für sie haben sie auf einer Erinnerungsstele Namensschilder angebracht. „Das hilft schon ungemein“, betonen beide.
Winzige Schlafsäcke
Da die Bestattung der Sternenkinder für die Eltern kostenlos ist, sammeln die beiden Schwestern immer wieder durch Aktionen Spenden oder sprechen gezielt Sponsoren an. Sie kümmern sich darum, dass es kleine Särge gibt, eine ältere Dame näht winzige weiße Schlafsäcke mit Kapuze und eine andere Helferin näht Deckchen. Die Eltern bekommen eine kleine Erinnerungsplakette mit dem Namen ihres Babys darauf, die auf der Stele angebracht wird. Das gibt es noch nicht so lange, erst seit 2013 dürfen Sternenkinder unter 500 Gramm Gewicht einen Namen haben und beim Standesamt registriert werden. Und schließlich kümmern die beiden ehrenamtlichen Frauen sich auch darum, dass der Gärtner, der das Grab vorbereitet, von den Spendengeldern bezahlt wird und bereiten die Bestattungen vor. Dafür wurde eigens ein Konto bei der evangelischen Versöhnungskirchengemeinde angelegt, wo die Spenden und Ausgaben verwaltet werden. Wenn kein Geistlicher gewünscht wird, übernehmen sie selbst die Gestaltung einer kleinen, würdevollen Trauerfeier.
Würdevoller Platz
Auch wenn es nur Kleinigkeiten sind, die die Kosten ausmachen, summiert es sich. Im Februar riefen die beiden zu einer großen Spielzeugsammlung auf. Viele meldeten sich, die ausgediente Spielsachen spendeten. Diese sollten eigentlich auf dem Langenberger Frühling zugunsten des Sternenkinderfeldes verkauft werden. Durch die Corona-Krise ist das Fest ausgefallen, doch die beiden hören sich schon um, wo sie demnächst mittrödeln dürfen. Erste Zusagen für einen kostenlosen Stand gibt es bereits. Alle gespendeten Sachen werden also in der nächsten Zeit auf Trödelmärkten verkauft, sodass die Initiative genug Geld bekommen sollte, dass auch weiterhin die Kinder, die viel zu kurz Gast auf dieser Erde waren, einen würdevollen Platz der Erinnerung bekommen.