16.06.2021

Das Kreuzzimmer bewegt

Rund 700 Kreuze hängen im Kirchturm von St. Martinus in Bigge. Foto: Pfarrei St. Martinus

Olsberg-Bigge (jon). Eine „Pension“ für nicht mehr benötigte Kreuze hat die Pfarrei St.Martinus in Bigge in einem Turmzimmer ihrer Kirche eingerichtet. Zwei Jahre nach dem Start hängen dort bereits 700 Kreuze. Das Kreuzzimmer hat sich inzwischen zu einem Anziehungspunkt für Besucher entwickelt.

„Früher war es selbstverständlich, dass in Häusern und Wohnungen Kreuze aufgehängt wurden“, erklärt Pfarrer Richard Steilmann, Leiter des Pastoralverbundes Bigge-Olsberg, der auch Dechant im Dekanat Hochsauerland-Ost ist. Doch wenn jemand aus der Familie stirbt, wüssten viele nicht, wohin mit den Kreuzen. „Die Nachkommen räumen die Wohnung aus. Die Einrichtungen und der Hausrat müssen entsorgt werden. Aber was kann man mit den Kreuzen machen?“ Vor dem Kreuz hätten viele Respekt und legten es erst einmal in den Keller oder auf den Dachboden, sagt Pfarrer Steilmann. Denn: „Kreuze darf man nicht wegwerfen“– so die Meinung vieler Menschen. 

Was damit tun, überlegte Gerhard Götte, Hausmeister der St.-Martinus-Kirchengemeinde. Und er hatte eine Idee: Immer, wenn er die 56 Stufen zu den Glocken heraufgehen musste, kam er durch einen leeren Raum, dunkel, verstaubt, aber mit einem guten Holzboden. Jedes Mal, wenn er durch diesen Raum ging, überlegte er, was man aus diesem schönen Raum machen könnte.

Als er eines Tages einige Kreuze sah, die jemand anonym in der Kirche abgegeben hatte, kam ihm die Idee: Wir hängen die Kreuze im Turmzimmer auf. Von seiner Idee berichtete er Dechant Richard Steilmann. Der Pfarrer der Kirchengemeinde war begeistert und versprach volle Unterstützung. „Damit bekommen die Kreuze einen würdigen Raum“, erklärt er. „Jedes Kreuz hat seine eigene Geschichte. Besser ist es, die Kreuze aufzuhängen, als dass sie billig entsorgt werden.“ Auch der Küster versprach, ihn zu unterstützen.

Damit wurde das Kreuzzimmer im April 2019 eingerichtet. Ein kleiner Zeitungsbericht genügte, um mit der Sammlung zu beginnen. Viele sakrale Gegenstände wurden abgegeben, die zunächst alle im Kreuzzimmer landeten: Kreuze, Weihwassergefäße, Erinnerungen an die erste heilige Kommunion, Rosenkränze klein und groß, Heiligenfiguren, Bilder, Ikonen und betende Hände. „Alles wurde aufgehängt und aufgestellt“, berichtet Dechant Steilmann.

Nach zwei Jahren waren dann aber so viele Gegenstände abgegeben worden, dass der Platz nicht mehr ausreichte. Deshalb entschloss sich der Hausmeister, einen weiteren Raum einzurichten und im Kreuzzimmer nur noch Kreuze aufzuhängen. Dabei musste immer wieder durch das Umhängen der Kreuze Platz geschaffen werden. Aktuell hängen im Kirchturm etwa 700 Kreuze: Sterbekreuze, Kreuze von Rosenkränzen, Gedenkkreuze, Wegekreuze, Kirchenkreuze, der Großteil aber sind Wohnungskreuze, einfache, kunstvolle, alte und wertvolle. Das älteste Kreuz stammt von 1828. 

Bei den Kreuzen fallen zwei besonders auf: An ihnen hängt der lebende Jesus. Die Kreuze werden gewöhnlich anonym in die Kirche gelegt oder persönlich abgegeben. Bei manchen ist ein Zettel mit einer Botschaft dabei. „Bei ihnen weiß ich das Kreuz in guten Händen“, heißt es dann etwa. Oder: „Danke, dass wir unser Kreuz bei ihnen abgeben dürfen.“ Wenn Besucher in das Kreuzzimmer kommen, seien sie oft „sehr bewegt und gerührt“, erzählt der Pfarrer. „Beim ersten Turmfest der Dorfgemeinschaft Bigge wollten die Besucher bei der Kirchenbesichtigung gar nicht mehr aus dem Kreuzzimmer gehen. Sie haben dort gebetet und gesungen.“ Heute ist das Kreuzzimmer der Höhepunkt einer Kirchenbesichtigung in der St.-Martinus-Kirche, die sonst auch über viele wertvolle und großartige Sehenswürdigkeiten verfügt.

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