Den Deportierten einen Namen geben
Wirken mit beim Ökumenischen Gedenken am 9. November: Martin Hendler, Schulpfarrer am Goethe-Gymnasium, die Schüler Patrick Adolf, Thomas Rysch, Louisa Follert, Lale Pätzold, Corinna Müller, Lehrerin Ruth Samweber, Pfarrerin Christel Schürmann sowie Sigrid Schäfer (GCJZ, von links). Foto: Maas
Dortmund. „Vor genau 20 Jahren war es die Idee der Organisatoren, Opfern der NS-Zeit einen Namen zu geben.“ Sigrid Schäfer, Geschäftsführerin der Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit (GCJZ), erinnert sich noch gut an die Motivation für das erste Ökumenische Gedenken zur Erinnerung an die Reichspogromnacht am 9. November 1938. Auch in diesem Jahr gibt es eine Gedenkveranstaltung.
von Wolfgang Maas
Den 9. November 1938 bezeichnet Sigrid Schäfer als „historisches Ereignis in der deutschen Unrechtsgeschichte“. Und angesichts einer Zunahme von antisemitisch motivierten Straftaten im Jahr 2016 sei es nach wie vor wichtig, an die sogenannte Reichspogromnacht weiterhin zu erinnern.
Die Lesung übernehmen in der Kirche St. Petri die Oberstufenschülerinnen und -schüler des Goethe-Gymnasiums Patrick Adolf, Thomas Rysch, Corinna Müller, Lale Pätzold und Louisa Follert. Die Fünf haben das Schicksal der Familie Steinmann recherchiert. Sie sind nach dem 9. November 1938 aus Dortmund in die Niederlande geflohen.
Dabei stand vor allem das akribische Suchen im Vordergrund, wie die Gymnasiastin Corinna Müller erklärt: „Im Archiv der Schule haben wir auf Karteikarten nachgeschaut.“ Dort wurde auch die Religion vermerkt. Was die Recherche zusätzlich erschwerte, war der Umstand, dass „die Karten nicht nach Jahrgängen sortiert sind“, ergänzt Schulpfarrer Martin Hendler.
Und auch die Themen der Abiturarbeiten in den Jahren zwischen 1933 und 1945 haben sich die Jugendlichen angeschaut. Die haben sich in Richtung der NS-Ideologie verändert, weiß Corinna Müller: „Im Deutschunterricht gab es das Thema ‚Was heißt deutsch sein?‘“ Auch Auszüge aus Gestapo-Reden mussten analysiert werden. Zentrales Thema an der ehemaligen höheren Mädchenschule war zudem die Rolle der Hausfrau.
Als weitere historische Quelle diente ein Buch, das die Frau des damaligen Rabbiners Appel geschrieben hat. Beide Töchter der Familie gingen zur höheren Mädchenschule. Was ihnen dort zugestoßen ist, ist in dem Buch festgehalten. „Dadurch hatten wir auch Schülerstimmen“, erklärt Martin Hendler. Für das heutige Goethe-Gymnasium ist das Ökumenische Gedenken auch eine Möglichkeit, sich mit der eigenen Geschichte zu befassen. Denn die Schule feiert in diesem Jahr ihr 150-jähriges Bestehen.