19.03.2021

Der Code Gottes im Herzen

Das Bild zeigt ein Herz hervorgehoben in einem Code. Die Schriftauslegung spricht konträr vom Code im Herzen. Auf jeden Fall gehören beide zusammen.

Foto: Alexander Sinn/Unsplash

Die vorösterliche Fastenzeit des Kirchenjahres geht wieder dem Ende entgegen – wir stehen sozusagen bereits kurz vor der Zielgeraden. Wie ist es Ihnen mit Ihren Vorsätzen und guten Absichten in diesem Jahr ergangen? 

Was machen die guten Vorsätze?

Vielleicht haben Sie gute Erfahrungen damit gemacht, am einen oder anderen Punkt äußerer Betriebsamkeit zu reduzieren; vielleicht merken Sie, dass bewusste Ernährung den Körper stärkt und Augenblicke des Gebetes Ihre Ausgeglichenheit fördern. Vielleicht stehen Sie aber auch einmal mehr vor den Trümmern ihrer guten Vorsätze, die von Woche zu Woche brüchiger wurden und sind enttäuscht darüber, es wieder nicht geschafft zu haben.

Letzteres kennt auch der Prophet Jeremia im Jerusalem des 6. Jh. v. Chr. Angesichts der zunehmenden Bedrängnis durch die babylonische Macht ruft er die Menschen schon seit Jahren zu einer Art „Fastenzeit“ auf, zur „Umkehr“ im Sinne einer Rückbesinnung auf die Weisungen der Tora Gottes und damit auf das, was dem Leben und der Gottesbeziehung förderlich ist. 

Doch bei aller Mahnung ist die Ernüchterung des Propheten über den anhaltenden, kurzsichtigen Lebenswandel der Menschen groß: „Ja, so hin und her zu laufen, das lieben sie; ihre Füße schonen sie nicht. Aber JHWH hat kein Gefallen an ihnen …“ (Jer 14,10). Jeremia muss sich eingestehen, dass die von ihm empfohlenen Unterbrechungen nicht umgesetzt werden und die ausgerufene „Fastenzeit“ ungenutzt bleibt.

Der Code

Mitten im Nachdenken über die scheinbar unglückliche Verfasstheit des Menschen, die ihn immer wieder scheitern lässt, erwacht in Jeremia dennoch ein Bild der Hoffnung (vgl. Lesungstext, Jer 31,31–34). Gott selbst wird den Menschen zu sich zurückführen. Er wird seine Weisung im Inneren, im Herzen des Menschen erinnern und die Sehnsucht nach einer größeren Fülle des Lebens in ihm wecken. 

Wenn der Prophet Jeremia hier von einem „Neuen Bund“ spricht, den Gott mit dem Menschen schließt, dann wird deutlich, dass es um die Grundlegung einer verinnerlichten Gottesbeziehung geht. Dabei ist davon die Rede, dass Gott „seine Weisung (sein Wort) ins Herz des Menschen schreibt“ – ein Bild intimer Berührung Gottes, die den Menschen einzigartig und einmalig macht. Die Weisung Gottes im Herzen des Menschen ist wie eine Art Code – ein Schlüsselwort, das den inneren Zugang zu Gott und zu mir selbst eröffnet. Was Jeremia hier erkennt und formuliert, ist jedoch nicht als eine Verheißung zu verstehen, deren Erfüllung auf sich warten lässt, sondern als eine Zusage, die sich dann realisiert, wenn der Mensch sich anrühren lässt, sein Herz weitet und das Wort Gottes zur Wirkung kommen kann.

Code Gottes im Herzen neu entschlüsseln

Falls Sie also wieder einmal unzufrieden sind mit den bisherigen „Leistungen“ in der diesjährigen Fastenzeit, nutzen Sie die verbleibenden Tage dazu, den Code Gottes in ihrem Herzen zu entschlüsseln. Gönnen Sie sich eine Zeit der Stille, einen „Escape- Room“ im Alltag, vielleicht an einem Ort in der Natur, und hören Sie auf ein Wort der Hoffnung und der Liebe in der Tiefe Ihres Herzens …

Nach dem Christusbild, das der Verfasser des Johannesevangeliums zeichnet, ist Jesus auf einzigartige Weise unmittelbar mit Gott, dem Vater verbunden – in ihm, so die johanneische Theologie, ist „Gott selbst verherrlicht“ (vgl. Joh 12,28). Oder anders formuliert: Jesus weiß um den Code Gottes in seinem Herzen; er hat ihn voll und ganz entschlüsselt. Und so konnte das ewige Wort der Liebe Gottes in ihm und durch ihn lebendig und für die Welt erfahrbar werden.

Über die Autorin

Christiane Koch ist Professorin für Exegese und Biblische  Theologie an der KatHO NRW, Abteilung Paderborn, und  Diözesanleiterin des  Katholischen Bibelwerkes.

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