04.03.2016

Der Dieter und die Gelegenheit

Das sind diese Zeitungsnotizen, die in einen schon am frühen Morgen und wahrscheinlich ein bisschen voreilig in Richtung Empörung jagen: RTL will eine der Finalrunden von DSDS im Kloster Eberbach drehen. Wie bitte???

So eine Sendung, in der vorgeblich Talente gesucht, vor allem aber junge, manchmal hoffnungsvolle, meist jedoch sich überschätzende Menschen einem johlenden Publikum vorgeführt werden, in einem so ehrwürdigen Gemäuer? Das darf ja wohl nicht wahr sein! Doch dann recherchiert man ein bisschen und stellt fest: Das Kloster ist seit 200 Jahren kein Kloster mehr, sondern heute ein Weingut, auf dem getagt, gefeiert und Kultur geboten wird. Es diente bereits als Filmkulisse für „Der Name der Rose“ und die Fernsehserie „Games of throne“, die – nach allem was man hört – extrem brutal ist.

Die Vorstellung, dass nun leichtbekleidete Möchtegernstars unter der Fuchtel von Dieter Bohlen die Gesänge frommer Ordensmenschen niederkreischen, ist also falsch. Man muss sich nicht unnötig aufregen. Außerdem: Dass Kirche zur Kulisse gerät und der Glaube zur Dekoration, ist nun wirklich nichts Neues. Das kennt man seit Jahrzehnten, zum Beispiel von Weißen Sonntagen.

Die Stiftung, die heute das Kloster betreibt, berichtet von einem ziemlichen Ansturm auf die Eintrittskarten: „Vor allem die junge Generation zeigt regelrecht Begeisterung und ein so noch nie dagewesenes Interesse an unserem Haus. Diese einmalige Chance, das Kloster auch jüngeren Menschen nahezubringen und hier und da Interesse für den kulturellen Hintergrund zu wecken, wollen wir auf keinen Fall verpassen.“

Na, wenn dem so ist, fassen wir zusammen: Die Falschen – wenn es die überhaupt gibt –, suchen womöglich das Richtige. So etwas könnte eine Chance sein – auch für Gemeinden. Oder um es mit einem Wort aus dem Zukunftsbild des Erzbistums Paderborn zu sagen: eine pastorale Gelegenheit.

Claudia Auffenberg

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