Der Geruch des Lebens
„Gott hat durch Ostern eine neue Duftmarke gesetzt. Durch Ostern sind wir alle hineingenommen in den neuen Duft des Lebens.“ (Foto: Kristin Gründler/photocase)
An den auferstandenen Christus glauben heißt nach Leben riechen.
Können Sie das Leben riechen? Der Geruchssinn gehört zu den fünf Sinnen eines Menschen. Er entscheidet darüber, ob wir Menschen sympathisch finden oder ob wir sie ablehnen; ob wir uns in einem Raum wohlfühlen oder ihn lieber verlassen; ob wir ein Produkt kaufen oder es eher liegen lassen. Gerüche beeinflussen jeden Tag unsere Entscheidungen, bewusst oder unbewusst. Der Geruchssinn ist stark in uns verankert. Noch nach Jahrzehnten rufen manche Düfte bestimmte Erinnerungen in uns wach. Auch verschiedene Lebensphasen des Menschen haben einen bestimmten Geruch. Säuglinge riechen beispielsweise anders als Jugendliche in der Pubertät oder alte Menschen.
Der Geruchssinn spielt auch in der Heiligen Schrift eine Rolle. Das Wort „Duft“ findet sich dort etwa 60 Mal. Bei fast zweidrittel der Bibelstellen geht es dabei um den „beruhigenden Duft für den Herrn“. Gemeint ist hier jeweils der Duft eines Brandopfers. Im Hohelied werden wohlriechende Salben gepriesen, aber auch der angenehme Duft des oder der Geliebten. Auch Paulus bemüht das Riechen in seinen Briefen. So lese ich im Korintherbrief: „Dank sei Gott, der … durch uns den Duft der Erkenntnis Christi an allen Orten verbreitet. Denn wir sind Christi Wohlgeruch für Gott unter denen, die gerettet werden, wie unter denen, die verloren gehen. Den einen sind wir Todesgeruch, der Tod bringt, den anderen Lebensduft, der Leben verheißt“ (2 Kor 2,14-16). Vom Duft des Öls schreibt der Evangelist Johannes: „Da nahm Maria ein Pfund echtes, kostbares Nardenöl, salbte Jesus die Füße und trocknete sie mit ihrem Haar. Das Haus wurde vom Duft des Öls erfüllt (Joh 12,3).
Auch das heutige Evangelium vom wichtigsten Tag der Christenheit, dem Osterfest, wird entsprechend eingeleitet: „Am ersten Tag der Woche gingen die Frauen mit den wohlriechenden Salben, die sie zubereitet hatten, in aller Frühe zum Grab.“ Die Frauen als erste Zeugen des Auferstandenen wollten ihre Liebe zu Jesus noch einmal durch die Salbung zum Ausdruck bringen. Sicher sollte dadurch auch der Verwesungsgeruch ein wenig zurückgedrängt werden. Aber der Tod kann nicht zurückgedrängt werden. Kein Duftstoff dieser Welt kann den Tod vertreiben. Gegen den Geruch des Todes konnten letztlich auch alle wohlriechenden Öle nichts ausrichten.
Und trotzdem: Gott verbreitet am Ostertag einen neuen Duft, den Geruch des Lebens. Wie riecht Ostern? Ich weiß, wie der Frühling riecht, wenn die Natur nach dem langen Winter neu aufbricht und die Sonne die Erde neu erwärmt. Und darum ist es gut, dass Ostern im Frühling gefeiert wird, weil der Geruch des Frühlings uns einen Eindruck davon geben kann, wie Ostern und damit das Leben riecht. Gott hat durch Ostern eine neue Duftmarke gesetzt. Durch Ostern sind wir alle hineingenommen in den neuen Duft des Lebens. Er klammert den Karfreitag und alle Kreuzerfahrungen unseres Lebens, alles Leid nicht aus. Ostern ist die Aufforderung an uns: Bleibt bei den Todeserfahrungen nicht stehen, sondern schaut auf zum Leben. Und so sind wir Christen gefordert, den Duft des Ostertages, den Geruch des Lebens weiterzutragen. Den Osterduft weitertragen, nicht den Alltagsmief. Was ich uns am Ostertag wünsche, findet Ausdruck in dem folgenden Gebet:
Gott, lass uns nie vergessen wie das Leben duftet, dass du uns geschenkt hast.
Gib den Wohlgeruch des Lebens uns und allen, die Barmherzigkeit üben.
Gib den Wohlgeruch des Lebens denen, die mit der stinkenden Seite der Welt zu tun haben,
damit sie das Leben gut riechen können, so wie du Gott uns gut riechen kannst.
Lass uns mit dem Geruch des Lebens in der Nase unseren Weg gehen
und so den guten Duft der Osterbotschaft in die Welt von heute tragen.
von Msgr. Andreas Kurte,
Msgr. Andreas Kurte ist Domkapitular und Leiter der Zentralabteilung „Pastorales Personal“ im Erzbischöflichen Generalvikariat in Paderborn.