24.04.2020

„Der Glöckner von Schwerte-Geisecke“

Peter Blaschke hat sich in den letzten Wochen als Aushilfsglöckner bewiesen. Foto: Martin Krehl

Schwerte. Alles eine Frage der Technik: nicht zu fest, nicht zu sanft, aber rhythmisch mit exakt 40 Zügen pro Minute – Peter Blaschke hätte sich vor ein paar Wochen nicht träumen lassen, dass er einmal das Läuten der Kirchenglocken so gut beherrscht. Wenn in diesen Tagen alle Kirchenglocken gleichzeitig abends zum Zusammenhalten mahnen sollten, wird Blaschke zum Aushilfsglöckner im Schwerter Ortsteil Geisecke.

von Martin Krehl

„Ich habe in der Zeitung gelesen, dass alle Glocken läuten sollen, also muss doch auch diese in meiner unmittelbaren Nachbarschaft läuten“, erinnert sich der 52-Jährige an den Start seiner ungewöhnlichen Arbeit. In Schwerte ist Peter Blaschke sehr bekannt, einerseits arbeitet er als Streetworker in der Jugendszene, andererseits ist er auch ein exzellenter Rock-Musiker. Mit der Kirche St.Antonius, nur wenige Steinwürfe von seinem Gartenzaun entfernt, hatte Blaschke eigentlich nichts zu tun. „Seine“ Kirche ist St. Christophorus im entgegengesetzten Schwerter Stadtteil Holzen, wo er geboren wurde. Das Glockengeläut von dort hört er aber nicht an seinem jetzigen Wohnort. Damit seine Geisecker Nachbarschaft auch jeden Abend an den so wichtigen Zusammenhalt in diesen ungewöhnlichen Zeiten der Corona-Pandemie erinnert wird, sprang Blaschke in die Bresche. In St. Antonius findet normalerweise 14-täglich samstags nachmittags noch eine Messe statt, alternierend eine Wortgottesfeier, ansonsten wird die architektonisch interessante Kirche nicht genutzt.

Die Gemeinde im Pfarrbezirk Geisecke ist klein geworden, viele ältere Menschen treten wegen der Virusgefahr schon lange nicht mehr vor die Haustür. Jeden Abend verlässlich und pünktlich wie prozessorgesteuert läuten wollte und konnte eigentlich niemand. Peter Blaschke bekam den Kirchenschlüssel in treue Hände und nur knappe Anweisungen. „Die ersten beiden Tage waren Learning by Doing, das kann einem ja auch keiner beibringen, das muss man mit Gefühl machen“, so Blaschke. Der Glöckner muss sich dem Rhythmus der Glocken anpassen, hat er gelernt. Das Geisecker Geläut selbst hat er übrigens noch gar nicht gesehen, das dicke Glockenseil endet in der Holzbalkendecke etwa drei Meter über ihm. „Da muss ich über eine Leiter nur dann rauf und durch die kleine Luke durch, wenn sich oben was verhakt“, erklärt Blaschke. Bislang blieb ihm das zum Glück erspart.

Besinnliche Aufgabe

In den gut vier Wochen, in denen er nun Tag für Tag läutet, musste nur einmal seine Ehefrau Dani einspringen, weil der Streetworker nicht pünktlich Feierabend machen konnte. „Abends ist niemand mehr unterwegs, alles ist ruhig, alle sind zu Hause, nur ich muss zu diesem Dienst. Ich läute dann in so eine feierliche Stille hinein, das ist eine schöne, besinnliche Aufgabe, die meinen Alltag auch rhythmisiert.“ Die St.Antonius-Kirche hatten sich in den 20erJahren ins protestantische Schwerte zugewanderte Eisenbahn-Arbeiter ertrotzt, 1935 war Grundsteinlegung. Sie hat eine sehr seltene Kuppeldecke in Zollbaukonstruktion und steht nur wenige Hundert Meter vom beliebten Ruhrtalradwanderweg entfernt. Natürlich ist sie nach Osten ausgerichtet, der Turm steht am West-Ende. Mitte März musste Peter Blaschke noch im Dunkeln läuten, inzwischen strahlt ihm die Abendsonne durch die Buntglasfenster ins Gesicht. „Dann denke ich, dass das wichtig ist, was ich hier tue“, lacht Peter Blaschke.

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