Die Amsel-Methode
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Im Mai gibt es Abende, an denen das Wetter freundlich ist und die Amsel von Nachbars Dach singt. Da möchte man sich gepflegt betrinken, weil alles so schön und das Leben eine solche Lust ist.
von Claudia Auffenberg
Neulich war genauso ein Abend: Das Wetter lau, im Baum dahinten singt eine Amsel, völlig unbeeindruckt von dem, was um sie herum geschieht. Und das war immerhin die Eröffnung des Katholikentages. Aus menschlicher Sicht sah die Situation rund um den Baum so aus: Tausende Menschen vorm Dom in Münster. Auf der Bühne der Bundespräsident. Er spricht von den beängstigenden Nachrichten aus Washington – am Abend vorher hatte der derzeitige Bewohner des Weißen Hauses das Atomabkommen mit dem Iran gekündigt. Außerdem bittet er, Steinmeier, als evangelischer Christ in einer konfessionsgemischten Ehe den Papst um weitere Schritte in der Ökumene. Anhaltender Applaus. Auf den Dächern ringsum liegen Scharfschützen, hoch über den Menschen steht ein Hubschrauber in der Luft. Auf der Bühne hängt ein Transparent „Suche Frieden“. Es ist eine überwältigende Szenerie, aber auch eine irritierende, so wie die Welt im Moment halt ist. Das alles beeindruckt die Amsel in dem Baum da vorn überhaupt nicht. Sie singt ihr Lied an diesem lauen Abend im Mai.
Vögel singen ja bekanntlich, um einen Partner zu finden und um ihr Revier zu markieren. Sie schützen sozusagen ihre Außengrenzen mit einem Lied. Nun weiß man nicht, ob Donald T. singen kann, aber so ein Sängerwettstreit wäre doch eine interessante Idee. Im Grunde gibt es den ja schon, den Eurovision Song Contest, den wir Älteren noch als Grand Prix kennen und der inzwischen weltweite Beachtung findet. Also: Es ginge auch anders.