Die Erinnerung gibt Kraft
Schülerinnen und Schüler trugen die Texte in beeindruckender Weise vor. Foto: Privat
Hagen. Im Rahmen der Veranstaltungsreihe „Ökumene vor Ort“ lud der Pastoralverbund Hagen an der Volme und die Jüdische Kultusgemeinde ein zum Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus. An diesem regnerischen Nachmittag fanden sich etwa 70 Personen ein im Gemeindesaal von St. Josef in Altenhagen: die Vertreter der beteiligten Gemeinden, als Ehrengäste der Dechant Dr. Norbert Bathen und der 2. Bürgermeister der Stadt Hagen, Horst Wisotzki.
Es sollte eine besinnliche Feier werden mit kurzen Reden, Lesungen und Musik. Das Schicksal der Hagener Familie Jacobsohn stand im Mittelpunkt und vergegenwärtigte die schreckliche Zeit der Verfolgung, des Terrors und des allgegenwärtigen Sterbens in dieser Zeit.
Möglich wurde dieses Konzept durch die Veröffentlichung des Buches von Dr. R. Busch: „Das Schicksal jüdischer Familien aus Hagen – Dokumentation der Enteignung und Vertreibung von jüdischen Ärzten und Zahnärzten und der Ermordung ihrer Angehörigen“.
Sein Buch ist gekennzeichnet von harter Arbeit an den Fakten, von ausgedehnter Recherche und präziser Dokumentation. Mitdenken und Mitfühlen sind Aufgaben, die der Verfasser respektvoll den Lesern überlässt. Allerdings erleichtert er ihnen die Aufgabe dadurch, dass er den Zeitzeugen Resonanzraum und Möglichkeit gibt, ihre Stimme hören zu lassen.
Sarah Michel, Justin Schulte, Laura Otto, Fabian Michel, Julia Otto, Maurice Meyer und Vivian Praß, Schülerinnen und Schüler der Heinrich-Heine-Realschule, des Hildegardis-Gymnasiums und der Realschule Halden, stellten sich der Aufgabe, diese Stimme zum Klingen zu bringen. Sie trugen den Bericht der Ilse Jacobsohn vor. Sorgfältig vorbereitet von ihrer Lehrerin Juliane Engler, öffneten ihre klaren, ausdrucksvollen Stimmen den Resonanzraum und ließen das Schicksal der Hagener Familie, ihre Vertreibung nach Holland, das schwierige Überleben der Schwestern und die Ermordung der Eltern in den Gedanken der Zuhörer im Gemeindehaus in der Schmale Straße Gestalt annehmen.
Damit erfüllten sie die Bitte des Hausherrn Pastor Peter Niestroj, der in seinem Grußwort darum gebeten hatte, diese Stunde auf politische Polemik zu verzichten und sie ganz der Erinnerung an das Leid der Menschen zu widmen, die in dieser dunklen Zeit verfolgt worden waren.
Er sagte: „Ein solches Erinnern und Gedenken ist wichtig um der Opfer selbst. Sie, die alles verloren haben, schließlich auch das Leben, haben ein Recht auf unser Gedenken, und zwar ungeteilt. Ich sage dies ausdrücklich in einer Zeit, in der allzu oft das Gedenken an die Verfolgung und Ermordung der Juden für tagespolitische Zwecke instrumentalisiert wird, um vor bestimmten Parteien oder gesellschaftlichen Entwicklungen zu warnen. Beides sollte man auseinanderhalten. Das Gedenken an die Toten sollte ganz den Toten gehören.“
Pastor Niestroj beendete seine Begrüßungsworte mit einem Ausschnitt aus einem Gebet zum Gedenken an die Schoa: „Möge ihr Opfer nicht umsonst gewesen sein. In unserem täglichen Kampf gegen Grausamkeit und Vorurteile, gegen Tyrannei und Verfolgung gibt uns die Erinnerung an sie Kraft und leitet uns.“
Die Wirkung des Vortrags wurde vertieft durch Bilder, die der Autor des Buches persönlich präsentierte, nachdem er in den Vortrag einleitend erläutert hatte, wie sein Interesse an den Menschen, deren Schicksal sein Buch dokumentiert, geweckt worden war. Er datierte es zurück auf Reisen nach Smolensk im Auftrag des Städtepartnerschaftsvereins, der mit seiner Hilfe vor Ort medizinische Hilfe organisiert hat.
Rimma Gotlib am Klavier, Felix Schusterman an der Geige und Hagay Feldheim, Gesang, umrahmten die Vorlesung musikalisch mit klassischen und traditionellen jüdischen Melodien und Hagay Feldheim schloss sie ab mit den ersten sechs Versen des 83. Psalms.
Bürgermeister Horst Wisotzki ließ sein Redemanuskript auf dem Pult liegen und bedankte sich spontan, hörbar begeistert und sehr persönlich bei den Schülerinnen und Schülern für die mitreißende Vergegenwärtigung der Ereignisse, indem er die Bedeutung der lebendigen Erinnerung entfaltete. Diese sei umso wichtiger, da doch in diesen Jahren die letzten lebenden Zeitzeugen sterben würden.
Ratsherr Michael Eiche, selbst Chorleiter aus Leidenschaft, stützte mit geübter Stimme den abschließenden, gemeinsam gesungenen Wunsch: „Wünschet den Frieden für Jerusalem“, mit dem diese anrührende Gedenkveranstaltung schloss.