12.08.2016

Die Leidenschaft des Bildens

Diese Marienfigur aus der Apos­tolischen Nuntiatur Berlin ist Hauptstück der Ausstellung in Rietberg. Fotos: Birkholz

Rietberg. Da kommt doch eine ganze Menge zusammen. In rund 50 Kirchen in verschiedenen Diözesen, im Hohen Dom zu Paderborn wie in der Osnabrücker Bischofskirche und der Nuntiatur in Berlin befinden sich Arbeiten von Johannes Niemeier. Dr. Peter Ruhnau beobachtet das Schaffen des heute 85-Jähri­gen seit Jahrzehnten. In sei­nem Buch „Der Bildhauer Jo­hannes Niemeier“ gibt er einen umfassenden Überblick.

von Rolf Birkholz

„Die Leidenschaft des Bildens muss Niemeier erfasst haben und hat ihn nicht mehr losgelassen“, schreibt Ruhnau gleich zu Beginn, als er allgemein die ungebrochene „Magie des Bilder-Machens“ zu ergründen sucht. Niemeier, mit vier Geschwistern auf einem Bauernhof in Druffel aufgewachsen, mag diese Magie früh im ländlichen Umfeld wie auch im Kontakt zu einem malenden Pater im Rietberger Franziskanerkloster erfahren haben.

Denn schon den Knaben zog es mehr zur Bildnerei als zur Landwirtschaft. Niemeier absolvierte eine Lehre bei dem Bildschnitzer Heinrich Püts in Wiedenbrück, Ende des 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts ein als „Wiedenbrücker Schule“ bekanntes Zen­trum der Bildschnitzerei. Es folgte das Studium an der Akademie der Bildenden Künste in München. „Künstler“ freilich wollte er nicht werden. Als solchen sah er sich auch später nur bedingt. Das hatte entscheidend mit seinem (neben öffentlichen Aufträgen) Hauptarbeitsgebiet der sakralen Kunst zu tun.

Peter Ruhnau illustriert dies an einem Beispiel aus der Studienzeit: Als der Student das Thema „Dreiklang“ bearbeiten soll, löst er die Aufgabe, indem er eine Kreuzigungsgruppe in Stein arbeitet. „Die Tatsache der Motiv-Wahl zur Bewältigung des Themas und dessen formale Ausprägungen zeigen den Grund, auf dem Niemeier steht“, bemerkt der Autor dazu. Er weist auf des Bildhauers „innere Neigung zur Sakralität, also seine mitgebrachte Prägung aus den Tagen seiner Kindheit und Jugend“, und den „Wunsch, hinter die Dinge zu schauen, Dinge zu machen, die die platte Wirklichkeit nicht abbildeten, sondern sie interpretierten“.

Auch mit diesem Bemühen wird das „Schweben zwischen Realistik und Abstraktion“ zu tun haben, das Ruhnau, der frühere Paderborner Diözesanbaumeister, an sehr vielen kirchlichen Auftragswerken Niemeiers über die Jahre wahrnimmt: Altäre, Tabernakel, Ambos, Kreuze, Taufsteine. Mal hat der Rietberger die – durch Bauherrn und Thema naturgemäß eingeschränkte – Freiheit, den gesamten Chorraum einer neuen Kirche zu gestalten, mal fertigt er Einzelstücke und fügt sie in vorhandene Ausstattungen ein. Stets prüft Niemeier an Modellen, wie ein Stück in den vorgegebenen Raum passt.

Detailliert beschreibt Peter Ruhnau viele der Arbeiten Niemeiers, die einerseits natürlich auch den Wandel liturgischer Auffassungen seit dem Zweiten Vatikanum spiegeln, andererseits aber die Handschrift des Bildhauers erkennen lassen. Es ist spannend und auch erbaulich, diesen beiden Fährten in dem im Bonifatius-Verlag erschienenen, mit einem Vorwort von Weihbischof Manfred Grothe versehenen Buch nachzuspüren.

„Immer geht es um die Verschränkung einer Bildidee mit der Wirklichkeit“, resümiert der Autor das Anliegen Niemeiers, der im Übrigen ein beispielhaft pragmatisches Verhältnis zur Vergänglichkeit auch von Sakralkunst pflegt. In dessen Arbeiten stellt Ruhnau eine „bemerkenswerte Konstanz“ fest, ihm selbst bescheinigt er „eine innere Souveränität“. Für Ruhnau könnte Niemeiers Ausstattung der Kapelle in der Apostolischen Nuntiatur in Berlin 2001 „die Krönung seiner Arbeit“ sein. Der Auftrag war zustandegekommen, weil der damalige Nuntius Giovanni Lajolo Niemeiers Bronze-Arbeit des Typus „Maria Sitz der Weisheit“ im Paderborner Leokonvikt gesehen hatte und sich eine derartige Figur für die Kapelle der geplanten neuen vatikanischen Botschaft wünschte. Dieser Bogen zwischen Orts- und Weltkirche dürfte Johannes Niemeier im Stillen besonders gefallen.

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