11.10.2018

Die Menschen brauchen Arbeit

Pfarrer Giday Alema mit Christian Maier, missio-Diözesanreferent im Erzbistum Paderborn. Foto: Nückel

Möhnesee. Im Monat der Weltmission besucht Pfarrer Giday Alema Gemeinden und Schulen im Erzbistum Paderborn. Dort berichtet er von seiner Arbeit in Äthiopien. Der DOM traf Pfarrer Alema in der Gemeinde Möhnesee zum Gespräch.

von Matthias Nückel

„Die Menschen in Äthiopien – Orthodoxe, Katholiken, Protestanten und Muslime – leben ohne Probleme zusammen“, erzählt Pfarrer Giday Alema. Dieses friedliche Miteinander ist in dem afrikanischen Land traditionell. „Als die Muslime nach Äthiopien kamen, war die orthodoxe Kirche schon da“, so Alema. Die Muslime seien akzeptiert worden, weil nur die Religion verschieden ist, aber die Kultur und die Sprache sind gleich.

Die Katholiken sind in Äthiopien eine kleine Minderheit. Nur etwa 0,7 Prozent der rund 100 Millionen Einwohner bekennen sich zur römisch-­katholischen Kirche. „Aber die katholische Kirche arbeitet viel und sie wächst“, betont der 55-Jährige. So haben die Familien in der Regel viele Kinder. „Auf dem Land, wo über 80 Prozent der Bevölkerung leben, sind es sechs und mehr Kinder, in der Stadt weniger“, sagt Alema.

Unter Priestermangel leidet die Kirche dort nicht. In der Diözese, in der Pfarrer Giday tätig ist, gibt es nach seinen Worten knapp 100 Priester für 70 000 Katholiken. „Und viele unserer Priester sind noch jung“, berichtet er. Die Katholiken seien ihrer Kirche sehr verbunden. Sie kämen zu den Gottesdiensten, die größtenteils vom orthodoxen Ritus geprägt sind.

Ein großes Problem für die Menschen ist, nach den Worten des Pfarrers, Arbeit zu finden. Die Kirche versuche, den Menschen in den entlegenen Gebieten zu helfen. Aber sie habe nicht viele Möglichkeiten, weil sie kein Geld habe. Aber die katholische Kirche trainiere zum Beispiel mit den Menschen, wie sie zusammenleben können. „Konfliktlösung“ lautet das Stichwort. „Junge Menschen – Orthodoxe, Katholiken und Muslime – werden ausgebildet, um dann ihr Wissen über Streitschlichtung in den Orten weiterzugeben“, sagt Alema.

Komitees zur Beilegung von Streitigkeiten haben in Äthiopien Tradition. Diese Komitees, in denen die Katholiken mitarbeiten, seien sehr wichtig für das friedliche Zusammenleben. Bei den Konflikten geht es zum Beispiel um Streitigkeiten wegen des Besitzes von Land. Diese werden nach den Worten des Priesters nicht vor Gericht gebracht, sondern die lokalen Komitees versuchen, einen Konsens oder eine Vereinbarung zwischen den Beteiligten zu erreichen.

Wenn jemand ein Verbrechen begeht, kommt er natürlich vor Gericht. Wenn es etwa einen Autounfall mit einem Todesopfer gebe, dann komme der Fahrer zunächst vor Gericht, so der Pfarrer. Anschließend übernehme das Komitee die Aufgabe, bei Schadensersatzansprüchen zwischen den Kontrahenten zu vermitteln.

Eines der Tätigkeitsfelder von Pfarrer Alema ist die Betreuung von Flüchtlingen. Etwa eine Million Menschen – hauptsächlich aus dem Nachbarland Eritrea – haben in Äthiopien Zuflucht gesucht. Sie leben oft jahrelang in den Lagern – ohne Arbeit. „Wir müssen ihnen helfen“, betont der Priester. Deshalb nimmt er den fast 100 Kilometer weiten Weg von seiner Heimatpfarrei in ein großes Flüchtlingslager an der Grenze zu Eritrea auf sich. Das bedeutet vor allem, mit den Menschen, die mehrheitlich Christen sind, zu reden und sich ihre Sorgen und Nöte anzuhören. „Diese meist jungen Flüchtlinge brauchen spezielle pastorale Hilfen“, betont Giday.

Junge Menschen, die von Europa träumen, gibt es auch in Äthiopien. „Armut hier ist etwas anderes als Armut in Deutschland“, sagt der Pfarrer. In Äthiopien bedeute dies zum Beispiel, kein Wasser und keinen Strom zu haben. Junge Leute ohne Arbeit lassen sich auch nicht von der Flucht abhalten.

Eine Lösung des Problems können laut Alema Investitionen in Afrika sein: „Die Menschen müssen die Möglichkeit haben, zu arbeiten.“ Dafür sei Entwicklungshilfe nötig. „Europa gibt sehr viel Geld für die Sicherung seiner Grenzen aus. Wenn nur die Hälfte davon eingesetzt würde, um hier Fa­briken zu bauen, damit die Menschen Arbeit haben, wäre schon viel erreicht“, meint Pfarrer Giday Alema.

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